Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann und sein ukrai­ni­scher Kolle­ge, Deniys Maljus­ka, haben ein Arbeits­pro­gramm zur Zusam­men­ar­beit im Justiz­be­reich für die kommen­den zwei Jahre unter­zeich­net. Ein Treffen mit Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko vor einem zerstör­ten Haus in Kiew musste der FDP-Politi­ker abkürzen.

Als am Freitag Sirenen in der ukrai­ni­schen Haupt­stadt vor Luftan­grif­fen warnten, suchte er mit seiner Delega­ti­on Schutz im Keller der deutschen Botschaft.

Busch­mann war am Freitag­mor­gen mit dem Nacht­zug aus Polen in Kiew einge­trof­fen. Es war sein erster Besuch in der Ukrai­ne seit dem Beginn des russi­schen Angriffs­krie­ges am 24. Febru­ar. Zwischen seinen Termi­nen mit Regie­rungs­ver­tre­tern ließ sich Busch­mann Kriegs­schä­den in der Haupt­stadt zeigen.

Der russi­sche Präsi­dent Wladi­mir Putin lasse Zivilis­ten und die Infra­struk­tur bombar­die­ren, weil er an der Front keinen Erfolg habe, sagte Kiews Bürger­meis­ter. «Jede dritte Wohnung in Kiew ist ohne Strom.» Durch Angrif­fe auf Heizkraft­wer­ke und die Wasser­ver­sor­gung wolle Putin «Panik» erzeu­gen, fügte Klitsch­ko hinzu. Doch das Gegen­teil sei der Fall: «Die Menschen sind wütend.»

«Wir stehen heute an der Seite der Ukrai­ne und wir werden es auch in Zukunft tun», sagte Busch­mann. Es sei ein Fehler gewesen, 2014 nicht konse­quen­ter auf die russi­sche Aggres­si­on zu reagie­ren. Deutsch­land wolle die Ukrai­ne dabei unter­stüt­zen, «auch die rechts­staat­li­chen Standards im Rahmen des Aufnah­me­ver­fah­rens in die Europäi­sche Union zu erfül­len». Justiz­mi­nis­ter Maljus­ka sagte, er wisse es sehr zu schät­zen, dass die deutschen Regie­rungs­mit­glie­der auch nach den Angrif­fen der vergan­ge­nen Wochen «keine Angst haben, hierher­zu­kom­men». Ein Schwer­punkt des Gesprächs zwischen den beiden Minis­tern war die inter­na­tio­na­le Straf­ver­fol­gung von Kriegsverbrechen.

Einen großen Eindruck machte auf Busch­mann und seine Delega­ti­on ein Besuch im abgedun­kel­ten Minis­ter­ka­bi­nett am Abend, wo Sandsä­cke in den Gängen aufge­türmt lagen. Dort führte er ein Gespräch mit der Vize-Premier­mi­nis­te­rin Olha Stefa­ni­schy­na, die ihn über die Schwie­rig­kei­ten bei den Ermitt­lun­gen zu Fällen sexua­li­sier­ter Gewalt in den vormals russisch besetz­ten Gebie­ten informierte.

Aufklä­rung nicht nur für die Ukrai­ne wichtig

Aus Sicht von Busch­mann sind die Ermitt­lun­gen zu russi­schen Kriegs­ver­bre­chen in den vergan­ge­nen Monaten seit dem Überfall auf das Nachbar­land im Febru­ar nicht nur für die Ukrai­ne von großer Bedeu­tung. Bei einem Besuch der Verein­ten Natio­nen im Oktober hatte Busch­mann bereits betont: «Nur wenn die Staaten­ge­mein­schaft Russland in die Schran­ken weist, haben Freiheit und Sicher­heit in der Welt eine Zukunft.» Der Kampf in der Ukrai­ne, «ist auch unser Kampf, deshalb ist es so wichtig, dass die Ukrai­ne obsiegt», beton­te der Gast aus Berlin.

Mit der Verfol­gung von Kriegs­ver­bre­chen, die im Ausland began­gen werden, hat die deutsche Justiz Erfah­rung. Im Januar hatte das Oberlan­des­ge­richt Koblenz den ehema­li­gen Verneh­mungs­chef eines syrischen Geheim­dienst­ge­fäng­nis­ses zu lebens­lan­ger Haft verur­teilt. Er soll für die Folter von mindes­tens 4000 Menschen und den Tod von mindes­tens 27 Gefan­ge­nen mitver­ant­wort­lich gewesen sein. Die deutsche Polizei hat bereits einige Hundert Zeugen­aus­sa­gen von ukrai­ni­schen Geflüch­te­ten zu Kriegs­ver­bre­chen durch russi­sche Angrei­fer aufgenommen.

Sonder­tri­bu­nal angeregt

Die ukrai­ni­sche Regie­rung und das mit dem Friedens­no­bel­preis ausge­zeich­ne­te ukrai­ni­sche Zentrum für bürger­li­che Freihei­ten setzen sich für die Schaf­fung eines Sonder­tri­bu­nals zur Verfol­gung von in der Ukrai­ne began­ge­nen russi­schen Verbre­chen ein. Die Regie­rung in Kiew ist der Auffas­sung, ein solches Tribu­nal sollte sich mit der Völker­rechts­straf­tat der Aggres­si­on befas­sen. Außer­dem wirbt sie inter­na­tio­nal um Unter­stüt­zung für zwei weite­re Vorha­ben: Die Schaf­fung eines Schadens­re­gis­ters und die Forde­rung an Russland nach einer indivi­du­el­len Kompen­sa­ti­on für erlit­te­ne Kriegsschäden.

Die Exeku­tiv­di­rek­to­rin des Zentrums für bürger­li­che Freihei­ten, Sascha Romants­ova, sagte bei einem Treffen mit Busch­mann auf dem geschichts­träch­ti­gen Platz der Unabhän­gig­keit, die Ukrai­ner glaub­ten an einen Sieg in diesem Krieg, «weil wir wissen, dass wir einan­der vertrau­en können». Dem Zentrum war der Friedens­no­bel­preis zusam­men mit der in Russland inzwi­schen aufge­lös­ten Organi­sa­ti­on Memori­al und dem inhaf­tier­ten belarus­si­schen Menschen­rechts­an­walt Ales Bjaljaz­ki zuerkannt worden.

Der ukrai­ni­sche General­staats­an­walt, Andrij Kostin, empfing den deutschen Minis­ter mit warmen Worten. Er sagte, Deutsch­land habe mit seinen Waffen­lie­fe­run­gen dazu beigetra­gen, «dass unser Luftraum siche­rer wird, Schritt für Schritt». Sein Amtssitz ist von Sandsä­cken und handge­knüpf­ten Tarnnet­zen umgeben. Deutsch­land will die Ukrai­ne auch dabei unter­stüt­zen, die für den von ihr angestreb­ten EU-Beitritt notwen­di­gen Refor­men umzuset­zen. Mit Exper­ti­se soll Deutsch­land beispiels­wei­se bei der Korrup­ti­ons­be­kämp­fung helfen.

Von Anne-Beatri­ce Clasmann, dpa