BERLIN (dpa) — Die Stimmen für mehr Entschei­dungs­frei­heit bei der Verkehrs­pla­nung wurden lauter. Das Kabinett hat eine Reform beschlos­sen und so könnten die debat­tier­ten Tempo-30-Zonen bald leich­ter einge­rich­tet werden.

Das Kabinett hat eine Reform des Straßen­ver­kehrs­ge­set­zes beschlos­sen. Es soll Erleich­te­run­gen für Kommu­nen bringen, zum Beispiel neue Busspu­ren oder Tempo-30-Zonen einzu­rich­ten. Länder und Kommu­nen könnten künftig schnel­ler und flexi­bler auf die beson­de­ren Anfor­de­run­gen vor Ort reagie­ren, sagte Bundes­ver­kehrs­mi­nis­ter Volker Wissing (FDP) in Berlin.

Eine leich­te­re Anord­nung von Tempo-30-Regelun­gen solle etwa Spiel­plät­ze sowie hochfre­quen­tier­te Schul­we­ge und Fußgän­ger­über­we­ge betref­fen. Wissing beton­te aber erneut, ein flächen­de­cken­des Tempo 30 in Städten werde es nicht geben. Es bleibe bei einer Regel­ge­schwin­dig­keit von 50 Stunden­ki­lo­me­tern innerorts.

Es dürfe auch künftig bei der Anord­nung einer Tempo-30-Zone nicht zu Beein­träch­ti­gun­gen von Sicher­heit und Flüssig­keit des Verkehrs kommen. Die «Leich­tig­keit» des Verkehrs könne durch Geschwin­dig­keits­be­gren­zun­gen einge­schränkt werden, so Wissing. Es müsse sicher­ge­stellt werden, dass der Verkehr fließe und Waren in Geschäf­ten ankämen.

Neben Änderun­gen des Straßen­ver­kehrs­ge­set­zes nahm das Kabinett auch einen Entwurf zur Änderung der unter­ge­ord­ne­ten Straßen­ver­kehrs­ord­nung zur Kennt­nis, der nun mit den Ländern abgestimmt werden soll. Neben dem Bundes­tag muss auch der Bundes­rat den Änderun­gen zustim­men. Ziel ist nach Minis­te­ri­ums­an­ga­ben eine Verab­schie­dung noch in diesem Jahr.

Verweis aufs Grundgesetz

In der Diskus­si­on um eine flächen­de­cken­de Auswei­tung von Tempo-30-Zonen in Städten verwies Bundes­ver­kehrs­mi­nis­ter Volker Wissing zuvor auf das Grundgesetz.

«Die Regel­ge­schwin­dig­keit bleibt 50, und eine Ausnah­me muss begrün­det werden. Und die muss auch auf der Grund­la­ge eines Geset­zes begründ­bar sein. Das verlangt der Verfas­sungs­staat, und dabei bleibt es», sagte Wissing im Deutschlandfunk.

Kernauf­ga­be des Staates sei es, «Freiheits­ein­grif­fe» zu begrün­den. Deshalb müssten Kommu­nen begrün­den, wenn sie Tempo-30-Zonen auswei­sen wollen. «Das verlangt das Grund­ge­setz, und das können wir nicht aus Gründen der Verein­fa­chung des Bürokra­tie­ab­baus aufheben.»

Grüner fordert «mutige Schritte»

Bei der Reform des Straßen­ver­kehrs­ge­set­zes forder­te NRW-Verkehrs­mi­nis­ter Oliver Krischer weitrei­chen­de Schrit­te ein. «Der absolu­te Vorrang des Autover­kehrs steht der notwen­di­gen Verkehrs­wen­de in den Städten bisher immer noch entge­gen», sagte der Grünen-Politi­ker in Düsseldorf.

Wegen der gelten­den Straßen­ver­kehrs­ord­nung hätten die Kommu­nen oft nicht die nötige Handlungs­frei­heit, um Verkehrs­pro­ble­me flexi­bel vor Ort zu lösen. Die Reform sei überfäl­lig, und es sei gut, dass die Bundes­re­gie­rung diese jetzt endlich angehe. «Ich hoffe, dass Bundes­re­gie­rung und Bundes­tag jetzt tatsäch­lich mutige Schrit­te gehen und den Kommu­nen mehr Handlungs­frei­heit geben», sagte Krischer. «Die Zeiten des Still­stands und der Blocka­den von Verän­de­run­gen müssen ein Ende haben.»

Linken-Chef schießt gegen Wissing

Die Linke sieht Verkehrs­mi­nis­ter Volker Wissing (FDP) indes wegen fehlen­der Fortschrit­te beim Klima­schutz als Wackel­kan­di­dat in der Regie­rung. «Es stellt sich wirklich die Frage, wie lange Wissing noch Rücken­de­ckung vom Kabinett bekommt», erklär­te Partei­chef Martin Schir­de­wan der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Ein Minis­te­ri­um ohne diesen Minis­ter ist kein schlech­te­res, vielleicht wäre es sogar besser für das Klima.»

Schir­de­wan übte auch schar­fe Kritik an Wissings Haltung, Tempo 30 in Städten nicht flächen­de­ckend zuzulas­sen. «Dass es inner­orts immer noch keine Regel­ge­schwin­dig­keit von 30 Kilome­tern pro Stunde gibt, ist ein großer Fehler», meinte der Partei­chef. Der Verkehrs­mi­nis­ter wisse offen­bar nicht, dass er für alle Verkehrs­teil­neh­men­de zustän­dig sei, also auch für Fußgän­ger, Radfah­rer und Passa­gie­re in Bus und Bahn. «Wer die Zahl der Verkehrs­to­ten senken will, der muss die Entschei­dung über Tempo-30-Zonen den Kommu­nen überlas­sen», beton­te Schirdewan.