BERLIN (dpa) — Menschen, die sich nicht mit ihrem biologischen Geschlecht identifizieren, sollen den Eintrag dazu künftig einfach im Standesamt ändern können. Ein Schritt für mehr Selbstbestimmung.
Wer sich nicht mit seinem Geschlechtseintrag identifiziert, muss bislang in einem langwierigen und kostspieligen Verfahren den entsprechenden Eintrag ändern lassen. Die Bundesregierung hat daher am Mittwoch das sogenannte Selbstbestimmungsgesetz beschlossen. «Das Grundgesetz garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Das gilt auch für die Geschlechter», sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne) im Anschluss in Berlin. «Darüber selbstbestimmt entscheiden zu können, dieses Menschenrecht zu verwirklichen, das entspricht einem freiheitlichen Rechtsstaat.»
Künftig soll jeder Mensch in Deutschland sein Geschlecht und seinen Vornamen selbst festlegen und in einem einfachen Verfahren beim Standesamt ändern können. Das Gesetz richtet sich laut Familien- und Justizministerium an transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nicht-binäre Menschen.
Bundesjustizminister Marco Buschmann sprach davon, dass der Staat Menschen, deren sexuelle Identität von ihrem biologischen Geschlecht abweicht, bislang wie Kranke behandelt habe. «Das ist keine Krankheit oder Abnormität. Das ist eben der Hauptkritikpunkt am Transsexuellengesetz gewesen», sagte der FDP-Politiker. «Eine Kritik, die Verfassungsrang hatte. Deshalb hat das Bundesverfassungsgericht dieses Gesetz ja auch für verfassungswidrig erklärt.» An diese Stelle trete nun ein Gesetz, bei dem die Menschen vom Staat so respektiert werden, wie sie seien.
Verfahren zuvor langwierig und teuer
Bislang galt das sogenannte Transsexuellengesetz. Viele Transmenschen empfinden dieses als demütigend. Das Gesetz sieht vor, dass Betroffene Vornamen und Geschlecht erst nach einem psychologischen Gutachten und einer gerichtlichen Entscheidung offiziell ändern dürfen. Das Verfahren ist langwierig und teuer. Das Bundesverfassungsgericht hatte mehrfach wesentliche Teile des Gesetzes für verfassungswidrig erklärt.
Der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann hofft, dass der Bundestag das Selbstbestimmungsgesetz noch in diesem Jahr verabschieden wird. «Laut Innenministerium wäre ein Inkrafttreten erst am 1. November 2024 möglich. Selbst wenn Zeit für die erforderlichen Anpassungen des Personenstandswesens eingeplant werden muss, ist ein Inkrafttreten im November 2024 aus meiner Sicht zu spät», sagte er der Deutschen Presse-Agentur. «Es muss geprüft werden, ob ein Inkrafttreten beschleunigt werden kann. Die Betroffenen haben lange genug gewartet.»
Kritik am Selbstbestimmungsgesetz kommt immer wieder von Union und AfD. Schutzräume vor allem für Frauen, beispielsweise in geschlechtergetrennten Umkleidekabinen, würden durch das Gesetz faktisch verloren gehen, sagte der CDU-Rechtspolitiker Günter Krings der «Rheinischen Post». «Statt Rechtssicherheit schafft die Ampel mit diesem Gesetz maximale Verunsicherung.»