BERLIN (dpa) — Immer noch würden «absurd viele» Eingrif­fe in Kranken­häu­sern erfol­gen, stellt Kassen­ärz­te-Chef Gassen fest. Er warnt vor einem Schei­tern der Klinik­re­form. Doch der Vorstoß wird auch kritisiert.

Kassen­ärz­te-Chef Andre­as Gassen fordert, die Zahl der Klinik-Opera­tio­nen deutlich zu reduzie­ren und die Möglich­kei­ten für ambulan­te Behand­lun­gen auszu­wei­ten. Er sagte der «Bild»: «Wir brauchen eine Kehrt­wen­de bei den Opera­tio­nen. Es gibt unver­än­dert viel zu viele statio­nä­re Behand­lun­gen in Deutsch­land. Von den rund 16 Millio­nen im Jahr könnten drei bis vier Millio­nen ambulant durch­ge­führt werden, also auch von nieder­ge­las­se­nen Ärzten.»

Gassen nannte zum Beispiel Leisten- und Gelenk-Opera­tio­nen, die künftig so von Praxis-Ärzten vorge­nom­men werden könnten, dass Patien­ten morgens kämen und am Nachmit­tag wieder nach Hause könnten. Damit könnten Kosten einge­spart werden, und auch Infek­tio­nen durch gefähr­li­che Kranken­haus­kei­me würden damit reduziert, so Gassen. Dazu müsse aber die Vergü­tung für Praxis-Ärzte angepasst werden.

Kranken­haus­ge­sell­schaft gegen Vorstoß

Die Deutsche Kranken­haus­ge­sell­schaft reagiert ableh­nend auf den Vorstoß zu mehr Opera­tio­nen auch in Praxen. «Der Vorschlag klingt gut, ist aber völlig unrea­lis­tisch», sagte Vorstands­chef Gerald Gaß der «Bild»-Zeitung. Schon heute müssten gesetz­lich Versi­cher­te viele Monate, zum Teil weit über ein halbes Jahr auf einen Termin beim Facharzt warten. «Wir wollen uns gar nicht vorstel­len, wie sich dieser Zustand noch weiter verschlech­tern würde, wenn jetzt noch zusätz­lich Millio­nen von Patien­tin­nen und Patien­ten aus den Kranken­häu­sern auf ambulan­te Opera­tio­nen in den Arztpra­xen warten müssten.»

Gaß zeigte sich offen dafür, dass nieder­ge­las­se­ne Ärzte in Klini­ken operie­ren. Gerade komple­xe­re ambulan­te Opera­tio­nen sollten an den Kranken­häu­sern durch­ge­führt werden, um dort in einem für Patien­ten gesicher­ten Umfeld auf mögli­che medizi­ni­sche Risiken gut und quali­ta­tiv hochwer­tig reagie­ren zu können.

Kranken­haus­re­form bis 2024

Bund und Länder hatten sich vor einer Woche auf Eckpunk­te für eine Klinik­re­form verstän­digt. Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) will über den Sommer einen Gesetz­ent­wurf dazu erarbei­ten. In Kraft treten soll die Reform Anfang 2024. Die Pläne sehen vor, das Vergü­tungs­sys­tem mit Pauscha­len für Behand­lungs­fäl­le zu ändern, um Klini­ken vom Druck zu immer mehr Fällen zu lösen. Daher sollen sie 60 Prozent der Vergü­tung allein für das Vorhal­ten von Leistungs­an­ge­bo­ten bekom­men. Dies soll auch kleine­re Klini­ken auf dem Land absichern.

Gassen hatte bereits am Wochen­en­de vor einem Schei­tern der geplan­ten Kranken­haus­re­form gewarnt. «Wenn die Ambulan­ti­sie­rung durch Einbin­dung der Praxen nicht gestärkt wird und die Auswahl der richti­gen Klini­ken nicht klug und strate­gisch koordi­niert wird, dann wird diese Reform schei­tern», sagte der Vorstands­vor­sit­zen­de der Kassen­ärzt­li­chen Bundes­ver­ei­ni­gung der «Neuen Osnabrü­cker Zeitung». In Deutsch­land gebe es weiter­hin «absurd viele» statio­nä­re Eingrif­fe, konsta­tier­te Gassen. «Noch immer werden viel zu viele Behand­lun­gen statio­när erbracht und Versi­cher­ten­gel­der verschleudert.»

Die Kassen­ärzt­li­che Bundes­ver­ei­ni­gung (KBV) vertritt nach eigenen Angaben die Inter­es­sen der rund 185.000 freibe­ruf­li­chen, in Praxen ambulant tätigen Ärzte und Psychotherapeuten.