KASSEL/BRAUBACH/AHRWEILER (dpa/lhe) — Die Bestat­tungs­kul­tur ist im Wandel. Die Alter­na­ti­ven zum klassi­schen Fried­hofs­grab mit Sarg werden immer vielfäl­ti­ger und beliebter.

Flugbe­stat­tun­gen, Fried­wein­ber­ge, Mensch- und Haustier-Grabstät­ten, die Beerdi­gungs­kul­tur ist im Wandel.

«Das Bestat­tungs­we­sen ist ein Abbild unserer Gesell­schaft. Die Menschen und das Leben sind indivi­du­el­ler gewor­den, entspre­chend hat sich auch das Bestat­tungs­we­sen verän­dert», sagt Alexan­der Helbach, Presse­spre­cher der Verbrau­cher­initia­ti­ve Bestat­tungs­kul­tur Aeternitas.

Famili­en­struk­tu­ren lösten sich auf, der Glaube verlie­re an Bedeu­tung, erläu­tert er. Demge­mäß nehme die Zahl kirch­li­cher Trauer­fei­ern ab, die Zahl von Beiset­zun­gen mit freien Trauer­red­nern dagegen zu. «Famili­en­grä­ber sind kaum noch gefragt, weil Famili­en heute nur noch selten an einem Ort leben.»

Indivi­du­el­le Beisetzungen

«Die Menschen wollen immer indivi­du­el­le­re und persön­li­che­re Formen der Beiset­zung», sagt auch Dominik Krache­letz, Betrei­ber des gleich­na­mi­gen Bestat­tungs­hau­ses in Kassel und Vorsit­zen­der des Bestat­ter­ver­ban­des Hessen. Krache­letz passt sein Angebot an die immer spezi­el­le­ren Wünsche der Kunden an. So führt er seit Kurzem Flugbe­stat­tun­gen durch — nach eigenen Angaben als erstes Bestat­tungs­un­ter­neh­men in Deutschland.

Anders als bei einer herkömm­li­chen Seebe­stat­tung wird die Asche dem Meer aus dem Flugzeug heraus überge­ben. Gestar­tet wird auf dem Flugha­fen Sylt. Drei bis vier Trauer­gäs­te können laut Krache­letz in der Maschi­ne mitflie­gen. Die Hinter­blie­be­nen können den Flug aber auch vom Strand auf Sylt aus beobach­ten. «Der Pilot fliegt vor der Beiset­zung mit der Urne gerne noch einmal am Strand entlang, damit die Trauer­gäs­te sich verab­schie­den können», erklärt der Bestat­ter­meis­ter, der eine Filia­le auf der Insel Sylt betreibt und selbst einen Flugschein hat.

Über dem Areal für Seebe­stat­tun­gen wird die selbst­auf­lö­sen­de Urne dann abgewor­fen. Die Hinter­blie­be­nen erhal­ten ein Zerti­fi­kat, auf dem die Koordi­na­ten des Beiset­zungs­or­tes verzeich­net sind. Ab Sylt belau­fen sich die Kosten auf 1320 Euro mit Angehö­ri­gen an Bord. Wer die Zeremo­nie vom Strand aus beobach­tet, zahlt 880 Euro. Andere Abflug­hä­fen wie Bremen oder Hamburg sind gegen Aufpreis möglich.

Bestat­tun­gen im Wandel

Drei Flugbe­stat­tun­gen hat Krache­letz bislang durch­ge­führt, vier weite­re seien gebucht. Diese Art der Beiset­zung sei sicher nicht jeder­manns Sache, sagt er. «Aber vor allem für Menschen, die sich Sylt und dem Meer verbun­den fühlen, ist es eine gute Alter­na­ti­ve.» Für sie sei es ein tröst­li­cher Gedan­ke, nach dem Tod zum Wasser zurück­zu­keh­ren und den Kreis des Lebens zu schließen.

Andere hinge­gen tröstet der Gedan­ke, die letzte Ruhe unter Weinre­ben zu finden. Mitte 2017 wurde der erste Fried­wein­berg in Deutsch­land im rhein­land-pfälzi­schen Bad-Neuen­ahr-Ahrwei­ler eröff­net. «Die Bestat­tungs­form wird stark nachge­fragt und genutzt», sagt Karl Walken­bach, Sprecher der Stadt­ver­wal­tung Bad Neuen­ahr-Ahrwei­ler. «Insge­samt haben bislang 219 Bestat­tun­gen auf dem Fried­wein­berg stattgefunden.»

In der Anlage gibt es 33 Famili­en­grab­stät­ten für bis zu vier Urnen. Außer­dem stehen dort 40 Reben für halban­ony­me Bestat­tun­gen zur Verfü­gung, die pro Rebe mit acht Urnen belegt werden können. 965 Euro kostet ein halban­ony­mes Weinberg­grab, ein Weinberg-Famili­en­grab 5422 Euro. Hinzu kommen Bestat­tungs­ge­büh­ren. Einen weite­ren Fried­wein­berg gibt es im bayeri­schen Nordheim. Im pfälzi­schen St. Martin ist ein entspre­chen­des Areal angelegt. Ab März/April sollen dort laut Ortsbür­ger­meis­ter Timo Glaser Beiset­zun­gen möglich sein.

Beerdi­gun­gen von Haustieren

Wer über den Tod hinaus mit seinem Haustier verbun­den sein möchte, der hat die Möglich­keit, sich mit ihm gemein­sam beerdi­gen zu lassen. Die Deutsche Fried­hofs­ge­sell­schaft etwa bietet Grabstät­ten für Mensch- und Tierbe­stat­tun­gen auf dem Urnen­fried­hof «Unser Hafen» in Braubach (Rhein­land-Pfalz) nahe Koblenz an. «Im Grunde ist jedes Haustier möglich, solan­ge es einäscher­bar ist. Wir haben sogar schon ein Pferd mit bestat­tet», sagt Presse­spre­cher Wilhelm Brandt.

Für die Betrof­fe­nen und deren Angehö­ri­ge sei der Gedan­ke, gemein­sam mit dem Haustier bestat­tet zu werden, sehr tröst­lich. «Das ist keine Modeer­schei­nung. Das machen nur Menschen, die das wirklich wollen», sagt Brandt. Ein sogenann­tes Freund­schafts­grab bietet Platz für zwei Menschen­ur­nen und maximal vier Tierur­nen, ein Famili­en­grab für maximal zwölf Urnen, gleich welcher Art. Die Kosten: 69 Euro bezie­hungs­wei­se 92 Euro jährlich plus 280 Euro Beisetzungskosten.

Vor dem Hinter­grund des Wandels in der Bestat­tungs­kul­tur sei der in Deutsch­land herrschen­de Fried­hofs­zwang überholt, sagt Alexan­der Helbach. «Uns wäre es lieber, er würde abgeschafft werden», so der Aeter­ni­tas-Presse­spre­cher. Die Verbrau­cher­initia­ti­ve hoffe, dass das Beispiel Bremen Schule macht. Um die Asche eines Bürgers der Hanse­stadt auf einem Privat­grund­stück beiset­zen zu können, genügt dort seit 2015 im Wesent­li­chen, dass der Verstor­be­ne dies schrift­lich bestimmt hat und der Eigen­tü­mer des Grund­stücks einver­stan­den ist. Auch die Verstreu­ung in der freien Natur ist unter bestimm­ten Bedin­gun­gen möglich. 156 solcher Anträ­ge sind seither laut Sprecher des Umwelt­res­sorts der Stadt bewil­ligt worden.

Jeder solle über die Art seiner Beiset­zung selbst entschei­den können, meint Helbach. «Umfra­gen haben gezeigt, dass die Mehrheit der Bürger nicht am Fried­hofs­zwang festhält.»

Von Nicole Schip­pers, dpa