KIEW/RAMSTEIN/NEW YORK (dpa) — Die russi­sche Armee gerät auf den Schlacht­fel­dern der Ukrai­ne offen­bar zuneh­mend unter Druck. Bis zu 50 Kilome­ter wollen die Ukrai­ner auch dank westli­cher Waffen vorge­drun­gen sein. Die aktuel­len Entwicklungen.

Die russi­schen Invasi­ons­trup­pen sind von den Ukrai­nern offen­bar stellen­wei­se in die Defen­si­ve gedrängt worden. Die ukrai­ni­sche Armee habe seit Anfang der Woche im Gebiet Charkiw im Osten des Landes über 20 Orte befreit, sagte General­stabs­ver­tre­ter Olexij Hromow am Donners­tag in Kiew. Im UN-Sicher­heits­rat wehrte sich Russland gegen den Vorwurf, Hundert­tau­sen­de Ukrai­ner depor­tiert zu haben.

Zum Kampf­ge­sche­hen im Gebiet Charkiw berich­te­te der ukrai­ni­sche General­stabs­ver­tre­ter von erheb­li­chen Gelän­de­ge­win­nen. «Zum jetzi­gen Zeitpunkt sind unsere Solda­ten bis zu 50 Kilome­ter tief in die Vertei­di­gungs­li­ni­en des Gegners vorge­drun­gen», sagte Hromow. Aktuell würden in den befrei­ten Orten «Säube­run­gen vom Gegner» andau­ern. Auch in der Nähe von Krama­torsk im Gebiet Donezk hätten ukrai­ni­sche Einhei­ten ihre Positio­nen um bis zu zwei Kilome­ter verbes­sern können. Bei Slowjansk seien die Russen um bis zu drei Kilome­ter zurück­ge­drängt und das Dorf Oserne befreit worden.

Im südukrai­ni­schen Gebiet Cherson seien die russi­schen Truppen an mehre­ren Abschnit­ten um zwei und bis zu mehre­ren Dutzend Kilome­ter zurück­ge­drängt worden. Insge­samt seien Gebiets­ge­win­ne von mehr als 700 Quadrat­ki­lo­me­ter erzielt worden. An den anderen Front­ab­schnit­ten bestehe weiter eine «schwie­ri­ge, jedoch nicht kriti­sche Situation».

Die russi­schen Besat­zer sahen sich wegen der vorrü­cken­den ukrai­ni­schen Truppen nach eigenen Angaben gezwun­gen, Frauen und Kinder aus der Stadt Kupjansk, einem wichti­gen Verkehrs­kno­ten­punkt des Gebiets Charkiw, in Sicher­heit zu bringen. «Die Lage in der Stadt Kupjansk ist heute so, dass wir einfach gezwun­gen sind, die Evaku­ie­rung der Bevöl­ke­rung — zumin­dest der Frauen und Kinder — zu gewähr­leis­ten, weil die Stadt Raketen­an­grif­fen der ukrai­ni­schen Militär­ver­bän­de ausge­setzt ist», sagte der Chef der von Russland einge­setz­ten Militär­ver­wal­tung, Witali Gantschew, der staat­li­chen russi­schen Nachrich­ten­agen­tur Tass zufol­ge. Die Angaben der Kriegs­par­tei­en lassen sich nicht unabhän­gig überprüfen.

London: Russen durch ukrai­ni­sche Attacken auf Brücken unter Druck

Nach Einschät­zung briti­scher Militär­ex­per­ten machen den Russen vor allem Angrif­fe der Ukrai­ner auf Fluss­über­gän­ge Proble­me. Wie aus dem tägli­chen Geheim­dienst-Update des Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums in London hervor­geht, zerstör­ten die ukrai­ni­schen Vertei­di­ger eine Ponton­brü­cke entlang einer wichti­gen Nachschub­rou­te in der Region Cherson. «Die syste­ma­ti­schen Präzi­si­ons­schlä­ge gegen anfäl­li­ge Fluss­über­gän­ge dürften weiter Druck auf die russi­schen Kräfte ausüben (…)», beton­ten die briti­schen Experten.

Kiew bekennt sich zu Raketen­be­schuss auf die Krim

Nach einem Monat Versteck­spiel lüfte­te Kiew das Geheim­nis der Explo­sio­nen auf dem Gelän­de russi­scher Militär­an­la­gen auf der annek­tier­ten Halbin­sel Krim. «Es geht um eine Serie von erfolg­rei­chen Raketen­schlä­gen auf die Luftwaf­fen­ba­sen auf der Krim, vor allem um den Flugplatz Saki», schrieb Oberbe­fehls­ha­ber Waleryj Saluschnyj in einem Artikel für die staat­li­che Nachrich­ten­agen­tur Ukrinform.

UN-Sicher­heits­rat strei­tet über Deportationen

Im Sicher­heits­rat der Verein­ten Natio­nen gab es einen hefti­gen Schlag­ab­tausch über den Vorwurf russi­scher Depor­ta­ti­ons­la­ger im ukrai­ni­schen Kriegs­ge­biet. Die US-Regie­rung beschul­dig­te das russi­sche Militär, festge­nom­me­ne Menschen in Lager zu zwingen, um sie dann gegen ihren Willen nach Russland oder in russisch besetz­te Gebie­te der Ukrai­ne zu bringen. Schät­zun­gen zufol­ge seien so zwischen 900 000 und 1,6 Millio­nen Menschen aus ihren Heimat­or­ten depor­tiert worden, sagte US-Botschaf­te­rin Linda Thomas-Green­field. Russland wies die Vorwür­fe zurück.

Atomkraft­werks­be­trei­ber: Mitar­bei­ter getötet und gefoltert

Der ukrai­ni­sche Atomkon­zern Enerhoatom warf den russi­schen Truppen im besetz­ten AKW Saporischschja die Verschlep­pung und Misshand­lung von Kraft­werks­mit­ar­bei­tern vor. «Etwa 200 Leute sind bereits inhaf­tiert worden. Von einigen wissen wir nicht, was mit ihnen passiert ist. Es gibt keinen Hinweis, wo sie sind», sagte der Präsi­dent von Enerhoatom, Petro Kotin, den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. Er sprach davon, dass Mitar­bei­ter getötet oder gefol­tert worden seien. Nach seinen Angaben halten noch etwa tausend ukrai­ni­sche Mitar­bei­ter die Anlage in Betrieb — in Friedens­zei­ten waren es 11 000 Menschen.