KIEW (dpa) — Die ukrai­ni­sche Haupt­stadt wird am Abend erneut von russi­schen Drohnen angegrif­fen. Präsi­dent Selen­skyj bittet um mehr und besse­re Waffen zur Luftab­wehr. Die News im Überblick.

Die Ukrai­ne sucht nach einer Antwort auf Russlands neue Taktik gehäuf­ter Luftan­grif­fe mit Kampf­droh­nen irani­scher Bauart. Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj bat die Staaten­ge­mein­schaft um mehr und besse­re Waffen zur Flugab­wehr. «Wenn wir über Luftab­wehr reden, dann reden wir über reale Menschen­le­ben», sagte er in einer Video­an­spra­che. «Das ist nicht nur im Inter­es­se der Ukrai­ne. Je gerin­ger die terro­ris­ti­schen Möglich­kei­ten Russlands sind, desto schnel­ler endet dieser Krieg.»

Zwar bestrei­tet die Führung in Teheran, Russland mit Einweg­droh­nen belie­fert zu haben. Doch auch Bundes­au­ßen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock zog diese Darstel­lung in Zweifel. «Die Kamika­ze-Drohnen, die da abgeschos­sen worden sind und die ja auch in Kiew einge­schla­gen sind, da ist doch sehr, sehr deutlich, woher sie kommen», sagte die Grünen-Politi­ke­rin dem ZDF-«heute journal».

Russland musste sich gestern selbst mit den Folgen des von ihm begon­ne­nen Kriegs gegen die Ukrai­ne ausein­an­der­set­zen. Ein Kampf­jet vom Typ Suchoj Su-34 stürz­te in der russi­schen Stadt Jejsk am Asowschen Meer über einem Wohnge­biet ab. Mindes­tens sechs Menschen wurden getötet. Für die Ukrai­ne ist heute der 237. Tag des Abwehr­kamp­fes gegen die russi­sche Invasion.

Luftan­grif­fe bis in die Nacht hinein

In der ukrai­ni­schen Haupt­stadt Kiew ging erst nach Mitter­nacht der vierte Luftalarm des Montags zu Ende. Um die Millio­nen­stadt war nach Behör­den­an­ga­ben die Luftab­wehr im Einsatz, um anflie­gen­de Drohnen abzufan­gen. Ein Abschuss einer solchen Drohne wurde aus dem Ort Browa­ry am östli­chen Stadt­rand gemel­det. Bei Drohnen­an­grif­fen auf Kiew am Morgen waren vier Menschen getötet worden, darun­ter ein junges Paar mit einer schwan­ge­ren Frau. «(Russlands Präsi­dent) Wladi­mir Putin kann sich eine weite­re Leistung zuschrei­ben, er hat noch eine Schwan­ge­re getötet», sagte Selenskyj.

Abends gab es Luftalarm auch über den südli­chen Gebie­ten Mykola­jiw und Odessa. In Odessa waren demnach Explo­sio­nen zu hören. Im zentralukrai­ni­schen Gebiet Dnipro­pe­trowsk wurde nach Behör­den­an­ga­ben am Tag ein Objekt der Energie­ver­sor­gung getroffen.

Kiewer Vorwür­fe gegen Iran

Die Ukrai­ne habe seit Sonntag­abend 37 Drohnen und mehre­re Marsch­flug­kör­per abgefan­gen, sagte Selen­skyj. Beobach­tet wurden über Kiew die zur einma­li­gen Verwen­dung bestimm­ten Kampf­droh­nen vom Typ Shahed 136 aus dem Iran. Seit der vergan­ge­nen Woche habe es mehr als 100 Angrif­fe mit solchen Drohnen gegeben, teilte der ukrai­ni­sche Außen­mi­nis­ter Dmytro Kuleba mit.

«Wir rufen Teheran auf, sofort jede Waffen­lie­fe­rung an Russland einzu­stel­len», hieß es in einer Mittei­lung des Minis­te­ri­ums. «Sonst werden der Iran und seine Führung streng zur Verant­wor­tung gezogen werden.» Er rief die Europäi­sche Union zu Sanktio­nen gegen den Iran auf.

Baerbock für neue Sanktio­nen gegen Teheran

Außen­mi­nis­te­rin Baerbock sprach sich für weite­re Sanktio­nen gegen den Iran aus, falls die Liefe­rung der Drohnen durch die Islami­sche Republik an Moskau nachge­wie­sen werde. Sie habe bereits im Europäi­schen Rat angekün­digt, «dass aus meiner Sicht auch mit Blick auf diese Drohnen­lie­fe­rung aus Iran nach Russland eben ein weite­res Sankti­ons­pa­ket gegen­über dem irani­schen Regime folgen muss», sagte sie im ZDF-«heute journal».

Baerbock sagte auch, dass für ein weite­res Sankti­ons­pa­ket Klarheit über die Herkunft der Drohnen herrschen müsse. «Es muss alles natür­lich recht­lich sauber sein.»

Ukrai­ne und Russland tauschen mehr als 200 Gefan­ge­ne aus

In dem fast sieben Monate dauern­den Angriffs­krieg Russlands gegen die Ukrai­ne tausch­ten die beiden Seiten ein weite­res Mal viele Gefan­ge­ne aus. 108 gefan­ge­ne ukrai­ni­sche Solda­tin­nen und Zivilis­tin­nen kehrten in ihre Heimat zurück, wie das Präsi­di­al­amt der Ukrai­ne in Kiew mitteilte.

«Die Ukrai­ne lässt nieman­den in Stich», schrieb Stabs­chef Andrij Jermak. Auf russi­scher Seite bestä­tig­te das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um die Heimkehr von 110 Gefan­ge­nen. Dazu zählten 72 russi­sche Seeleu­te von zivilen Schif­fen, die seit Beginn des Krieges im Febru­ar in der Ukrai­ne festge­hal­ten worden seien.

Russi­sches Flugzeug stürzt auf russi­sche Stadt

Die russi­schen Behör­den reagier­ten schnell und mit großem Aufwand auf den spekta­ku­lä­ren Absturz des Kampf­bom­bers in Jejsk. Präsi­dent Putin wurde infor­miert. Katastro­phen­schutz­mi­nis­ter Alexan­der Kuren­kow und Gesund­heits­mi­nis­ter Michail Murasch­ko flogen aus Moskau ein. Videos aus Jejsk zeigten einen großen Feuer­ball dicht an einem achtstö­cki­gen Hochhaus, als das Flugzeug abstürz­te. Dann folgten mehre­re Detona­tio­nen. Ein Teil des Gebäu­des fing bis zum Dach hinauf Feuer. Der regio­na­le Zivil­schutz berich­te­te von sechs Toten und 22 Verletz­ten. Bei sechs Menschen war der Verbleib unklar.

Das Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um in Moskau teilte mit, beim Start der Maschi­ne von einem nahen Flieger­horst habe eines von zwei Trieb­wer­ken Feuer gefan­gen. Die zwei Mann Besat­zung hätten sich mit Fallschir­men geret­tet. Die Maschi­ne sei auf einem Übungs­flug gewesen. Solche Flüge finden den Regeln nach ohne Muniti­on statt. Aller­dings deute­te die Boule­vard­zei­tung «Komso­mol­ska­ja Prawda» die Explo­sio­nen so, dass die Maschi­ne bewaff­net gewesen sei. Die Hafen­stadt Jejsk liegt so dicht an der Ukrai­ne, dass von dort Luftan­grif­fe gestar­tet werden können.

Das wird heute wichtig

Der frühe­re ukrai­ni­sche Außen­mi­nis­ter Pawlo Klimkin sieht mit den irani­schen Drohnen im russi­schen Arsenal auch für Israel den «Moment der Wahrheit» gekom­men, die Ukrai­ne militä­risch zu unter­stüt­zen. Das schrieb Klimkin auf Twitter.

Israel gilt als das Land, das am besten gegen irani­sche Waffen­sys­te­me gerüs­tet ist. Aus Rücksicht auf Moskau hat sich die Regie­rung in Jerusa­lem bislang mit Hilfe für die Ukrai­ne zurück­ge­hal­ten. Die Diskus­si­on darüber dürfte aber zunehmen.