MOSKAU/KIEW (dpa) — Im Osten der Ukrai­ne gehen die Kämpfe weiter. Präsi­dent Selen­skyj fordert, den Druck auf Russland nochmals zu erhöhen. Die Entwick­lun­gen im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj pocht auf weite­re Straf­maß­nah­men des Westens gegen Russland. Das sechs­te Sankti­ons­pa­ket der europäi­schen Staaten müsse beschleu­nigt werden, sagte das Staats­ober­haupt in einer Videobotschaft.

Darüber habe er zuletzt auch mit Itali­ens Regie­rungs­chef Mario Draghi gespro­chen. Viele westli­che Staaten haben bereits beispiel­lo­se Straf­maß­nah­men gegen Russland verhängt.

«Die Situa­ti­on im Donbass ist äußerst schwie­rig», sagte Selen­skyj. Die russi­sche Armee versu­che, die Städte Slowjansk und Sjewjer­odo­nezk im Osten des Landes anzugrei­fen. «Die Streit­kräf­te der Ukrai­ne halten diese Offen­si­ve zurück.» Jeder Tag, an dem «unsere Vertei­di­ger» Pläne Russlands durch­kreuz­ten, sei ein konkre­ter Beitrag auf dem Weg zum Sieg. Aber Selen­sky­js mahnte auch: «Wir müssen noch weiter kämpfen.»

Kämpfe gehen weiter

Das ukrai­ni­sche Militär berich­te­te in der Nacht zum Sonntag von andau­ern­den Kämpfen in den Gebie­ten Donezk und Luhansk im Osten des Landes. Dort seien am Samstag neun Angrif­fe russi­scher Truppen abgewehrt worden. Im Laufe des Tages seien fünf Panzer, vier Artil­le­rie­sys­te­me und eine Drohne zerstört worden, teilte die ukrai­ni­sche Armee mit. Russland setzt laut dem Lagebe­richt entlang der gesam­ten Front Kampf­flug­zeu­ge, Raketen­wer­fer und Panzer ein.

Im Gebiet Saporischschja im Süden der Ukrai­ne hat die dorti­ge Verwal­tung nach eigenen Angaben vermehrt Flüge russi­scher Drohnen beobach­tet. Das russi­sche Militär habe die Luftauf­klä­rung verstärkt, hieß es. Zudem seien Kolon­nen von Militär­fahr­zeu­gen gesich­tet worden. Saporischschja liegt nordwest­lich der inzwi­schen von Russland einge­nom­me­nen ukrai­ni­schen Hafen­stadt Mariu­pol am Asowschen Meer.

Erneut Zivilis­ten getötet

Einmal mehr machte die Ukrai­ne Russland für den Tod von sieben Zivilis­ten in dem von Regie­rungs­trup­pen kontrol­lier­ten Teil der Region Donezk verant­wort­lich. Der Gouver­neur des Gebiets, Pawlo Kyryl­en­ko, schrieb im Nachrich­ten­ka­nal Telegram, allein im Ort Lyman seien drei Menschen getötet worden. Er äußer­te sich zunächst nicht zu den genau­en Umständen.

In dem von Russland besetz­ten Gebiet Cherson im Süden beschul­dig­te die dorti­ge Verwal­tung wieder­um die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te, am Samstag drei Zivilis­ten in dem Ort Bilos­erka getötet und zehn verletzt zu haben. Diese Angaben ließen sich nicht überprüfen.

Austausch für ukrai­ni­sche Kämpfer aus Mariupol?

Der promi­nen­te russi­sche Außen­po­li­ti­ker Leonid Sluzki schloss einen Austausch von in Mariu­pol gefan­gen genom­me­nen ukrai­ni­schen Kämpfern gegen den prorus­si­schen Politi­ker Viktor Medwedt­schuk nicht aus.

«Wir werden die Möglich­keit eines Austauschs von Medwedt­schuk gegen die Asow-Kämpfer prüfen», sagte Sluzki der Agentur Inter­fax zufol­ge. Später erklär­te er in seinem Blog im Nachrich­ten­ka­nal Telegram, dass die Kämpfer in jedem Fall vor ein Gericht gestellt werden müssten. An einem Tribu­nal führe kein Weg vorbei, beton­te er. Über einen Austausch Medwedt­schuks müssten kompe­ten­te Leute entscheiden.

In den vergan­ge­nen Tagen haben sich in Mariu­pol nach russi­schen Angaben mehr als 2400 ukrai­ni­sche Solda­ten ergeben. Sie hatten sich zuvor wochen­lang in den Bunker­an­la­gen des Asow-Stahl­werks verschanzt und die Hafen­stadt gegen die russi­schen Besat­zer verteidigt.

Wohl Auslän­der unter Kriegs­ge­fan­ge­nen aus Stahlwerk

Nach Angaben der prorus­si­schen Separa­tis­ten sind unter den im Stahl­werk gefan­gen genom­me­nen Kämpfern auch 78 Frauen. Der Chef der Donez­ker Separa­tis­ten, Denis Puschi­lin, sagte am Samstag­abend der russi­schen Staats­agen­tur Tass zufol­ge, es seien auch Auslän­der in russi­sche Gefan­gen­schaft gekom­men. Eine Zahl nannte er nicht. Selen­skyj hatte neben seinen Lands­leu­ten auch Auslän­der zum Kampf gegen Russland aufgerufen.

Das bringt der Tag

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD) bricht am Sonntag zu seiner ersten Afrika-Reise seit seinem Amtsan­tritt vor knapp einem halben Jahr auf. Er will dabei auch über die Auswir­kun­gen des Ukrai­ne-Kriegs auf den Konti­nent sprechen.

Afrika ist unter anderem von den im Zuge des Kriegs drastisch steigen­den Getrei­de­prei­sen betrof­fen, die eine Ernäh­rungs­kri­se ausge­löst haben. Nach dem Senegal als erster Reise­sta­ti­on will Scholz den Niger und Südafri­ka besuchen.

Polens Präsi­dent Andrzej Duda traf derweil zur Unter­stüt­zung der Ukrai­ne erneut zu einem Besuch in der Haupt­stadt Kiew ein. Er werde am Sonntag als erstes Staats­ober­haupt seit Kriegs­be­ginn vor drei Monaten eine Rede in der Rada, dem ukrai­ni­schen Parla­ment, halten, teilte die polni­sche Präsi­di­al­ver­wal­tung in Warschau mit. Duda setzt sich dafür ein, dass die Ukrai­ne möglichst rasch einen EU-Kandi­da­ten­sta­tus erhält.