KIEW (dpa) — Selen­skyj bezeich­net Russland als einen barba­ri­schen Staat, der nicht einmal vor dem kultu­rel­len Erbe halt mache. Unter­des­sen gehen die Kämpfe weiter. Die Entwick­lun­gen im Überblick:

Angesichts der massen­haf­ten Vernich­tung von kultu­rel­lem Erbe durch Russlands Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne hat deren Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj mit Nachdruck den Ausschluss Moskaus aus der Unesco gefordert.

«Die Unesco ist kein Platz für Barba­ren», sagte Selen­skyj in einer Video­an­spra­che aus Kiew. Die russi­schen Truppen würden massen­haft Kultur­denk­mä­ler, Kirchen und andere religiö­sen Stätten zerstö­ren. Das sei Grund genug, dass Land aus der Kultur- und Bildungs­or­ga­ni­sa­ti­on der Verein­ten Natio­nen auszu­schlie­ßen, sagte er.

113 Kirchen seien bereits zerstört oder beschä­digt worden. Russland sei ein «Terror­staat», der mit seiner Artil­le­rie das histo­ri­sche Erbe zerstö­re. Schon Ende Mai hatte er den Ausschluss Russlands aus der Unesco verlangt.

Kiew: Mehre­re Raketen­an­grif­fe auf Haupt­stadt und Vorort

Russland beschoss nach Angaben des ukrai­ni­schen General­stabs am Morgen die Haupt­stadt Kiew und einen Vorort erneut mit Raketen. Es seien militä­ri­sche und zivile Infra­struk­tur getrof­fen worden, teilte die Militär­füh­rung in Kiew mit. Auch Kiews Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko berich­te­te in seinen Telegram-Kanal von Raketen­schlä­gen. Betrof­fen waren demnach die Stadt­be­zir­ke Darnyz­ja im Südos­ten und Dnipro im Westen der Millio­nen­me­tro­po­le. Es gebe nach bishe­ri­gem Stand einen Verletz­ten, der im Kranken­haus behan­delt werde, aber keine Toten, sagte Klitschko.

Einsatz­kräf­te waren demnach an Ort und Stelle. Auch der bereits mehrfach beschos­se­ne Vorort Browa­ry wurde Behör­den zufol­ge von Raketen getrof­fen. Das genaue Ausmaß der Schäden war zunächst unklar.

In sozia­len Netzwer­ken veröf­fent­lich­ten Menschen Bilder und Videos von Bränden und Rauch­wol­ken. Auch Geräu­sche von Einschlä­gen waren zu hören. Am Morgen hatte es langen Luftalarm gegeben. Die Bewoh­ner werden immer wieder aufge­for­dert, sich für diesen Fall in Schutz­bun­ker zu geben. Es handel­te sich um den schwers­ten Angriff auf die Haupt­stadt­re­gi­on seit Wochen.

Ukrai­ner halten die Stellung

Seit Beginn des Kriegs am 24. Febru­ar habe Russland bereits mehr als 2500 Raketen auf die Ukrai­ne abgefeu­ert, klagte Selen­skyj. «Unsere Helden halten die Stellung und tun alles, um dem Feind maxima­le Verlus­te zu verur­sa­chen.» Mit Blick auf den Schwer­punkt der Kämpfe im Donbass in der Ostukrai­ne meinte der Staats­chef, es werde der Tag kommen, an dem Russland das Gebiet in Ruhe lassen werde. Dafür sei nur der Befehl eines Menschen entschei­dend, sagte er, ohne Kreml­chef Wladi­mir Putin in Moskau beim Namen zu nennen.

Selen­skyj und der ukrai­ni­sche General­stab berich­te­ten von schwe­ren Kämpfen vor allem im Osten der Ukrai­ne. Dort liegt ein Schwer­punkt im Gebiet Luhansk mit dem schwer umkämpf­ten Verwal­tungs­zen­trum Sjewjer­odo­nezk. Die bluti­gen Straßen­kämp­fe dauer­ten an, sagte Selen­skyj. Die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te wollen weiter verhin­dern, dass die russi­schen Truppen dort komplett die Vorherr­schaft überneh­men. Fällt die Großstadt, hätte Russland ein wichti­ges Kriegs­ziel erreicht: die vollstän­di­ge Kontrol­le über das Gebiet Luhansk. Gemel­det wurden auch russi­sche Luftan­grif­fe in der Region.

Erster Bericht über getöte­ten Deutschen auf ukrai­ni­scher Seite

Die Ukrai­ne infor­mier­te erstmals offizi­ell über den Tod eines deutschen freiwil­li­gen Kämpfers bei den Gefech­ten. Auch drei Freiwil­li­ge aus Frank­reich, Austra­li­en und den Nieder­lan­den seien unter den «gefal­le­nen Waffen­brü­dern», teilte die Inter­na­tio­na­le Legion für die Vertei­di­gung der Ukrai­ne in Kiew mit. Die Namen der vier Männer wurden ebenfalls genannt in der Mittei­lung, nicht aber der Zeitpunkt und der Ort ihres Todes. Aus dem Auswär­ti­gen Amt in Berlin war zu hören, die Botschaft in Kiew bemühe sich um Aufklä­rung und stehe «mit den ukrai­ni­schen Stellen in Kontakt, die entspre­chen­de Nachrich­ten verbrei­tet haben».

Selen­skyj hatte Freiwil­li­ge aus der ganzen Welt aufge­ru­fen, sich dem Kampf gegen die russi­sche Armee anzuschlie­ßen. Dazu wurde die Legion gegrün­det, die inzwi­schen aktiv rekru­tiert. Das russi­sche Militär meldet immer wieder die «Vernich­tung» von Söldnern, die Zahl der getöte­ten Auslän­der geht nach den Moskau­er Angaben in die Tausenden.

Erstmals Leichen ausgetauscht

Die Ukrai­ne und Russland haben nach Behör­den­an­ga­ben aus Kiew der jeweils anderen Seite die Leichen von 160 Solda­ten überge­ben. Der Austausch sei am 2. Juni entlang der Front­li­nie im Gebiet Saporischschja erfolgt, hieß es. Nach ukrai­ni­schen Angaben laufen auch weiter Verhand­lun­gen über den Austausch von Kriegs­ge­fan­ge­nen auf beiden Seiten. In russi­scher Gewalt sind Tausen­de ukrai­ni­sche Kämpfer, darun­ter die Vertei­di­ger von Mariu­pol, die dort im Stahl­werk Azovs­tal die Stellung gehal­ten hatten, bis Kiew die Stadt im Mai aufgab.

Russi­sche Region berich­tet über Beschuss

In Russland ist nach Angaben der Region Brjansk erneut ein Dorf an der Grenze zur Ukrai­ne von dem Nachbar­land aus beschos­sen worden. Beim Beschuss des Dorfes Slutschewsk sei ein Mann verletzt worden, zwei Wohnhäu­ser seien in Brand geraten. Das teilte der Gouver­neur der Region, Alexan­der Bogomas, in seinem Nachrich­ten­ka­nal bei Telegram mit. Er warf den ukrai­ni­schen Streit­kräf­ten vor, auf das Dorf geschos­sen zu haben. Der verletz­te Einwoh­ner musste demnach in ein Kranken­haus gebracht werden. Die Feuer seien gelöscht worden.

Große Holzkir­che in Swjato­hirsk abgebrannt

Per Video­bot­schaft warf Selen­skyj russi­schen Streit­kräf­ten vor, eine große Holzkir­che in Swjato­hirsk (Swjato­gorsk) beschos­sen und in Brand gesetzt zu haben. Auf Bildern war zu sehen, dass das Bauwerk mit den Zwiebel­tür­men lichter­loh brann­te. Das russi­sche Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um wies die Vorwür­fe zurück und beschul­dig­te die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te, selbst geschos­sen zu haben.

Das bringt der Tag

Während ihr Heimat­land unter dem russi­schen Angriffs­krieg leidet, fehlt der ukrai­ni­schen Natio­nal­mann­schaft nur noch ein Sieg für die Quali­fi­ka­ti­on zur Fußball-WM Ende des Jahres in Katar. Um dieses große Ziel zu errei­chen, muss die Mannschaft um den frühe­ren Dortmun­der Bundes­li­ga-Profi Andrij Jarmo­len­ko heute in Cardiff Wales besiegen.

Es geht um das letzte europäi­sche Ticket für die Weltmeis­ter­schaft — und auch darum, durch einen Erfolg auf inter­na­tio­na­ler Bühne den Natio­nal­stolz der Ukrai­ner und die Moral der Solda­ten zu stärken. Das Endspiel der Playoffs hatte die Ukrai­ne durch ein 3:1 in Schott­land erreicht. Es war das erste Pflicht­spiel seit Beginn des Krieges Ende Febru­ar. Sollte sich die Ukrai­ne quali­fi­zie­ren, würde sie in der WM-Vorrun­de in der Gruppe B auf England, den Iran und die USA treffen.