Die seit Monaten alles in Deutsch­land dominie­ren­de Corona-Krise hat partei­über­grei­fend auch den Ascher­mitt­woch fest im Griff. Kein Redner kommt an der Pande­mie vorbei — jeder auf seine ganz eigene Weise.

PASSAU/MÜNCHEN (dpa) — Zwischen Angriff und Vertei­di­gung: Mit teils klaren und derben Ansagen haben sich die Partei­en beim politi­schen Ascher­mitt­woch an der Corona-Politik in Deutsch­land abgearbeitet.

Neue Erkennt­nis­se blieben dabei aber die Ausnah­me — in der Regel unter­stri­chen alle Redner ihre meist bereits seit Monaten bekann­ten Positio­nen. Zugleich zeich­ne­te sich bei den vielen Veran­stal­tun­gen — die meisten davon in Bayern — aber eine klare Front­li­nie für die Bundes­tags­wahl in gut sieben Monaten ab: Die in allen Umfra­gen klar führen­de Union muss demnach mit Angrif­fen von allen Seiten rechnen.

Schwe­re Verbal­an­grif­fe musste unter anderem Bayerns Minis­ter­prä­si­dent Markus Söder einste­cken, der häufig als Kanzler­kan­di­dat der Union ins Gespräch gebracht wird. Doch auch der CSU-Chef teilte bei seiner aus der Dreilän­der­hal­le in Passau per Inter­net übertra­ge­nen Rede kräftig aus — insbe­son­de­re gegen SPD, Grüne und AfD. Einzig die FDP kam überra­schend gut davon. Erstmals in der mehr als 100-jähri­gen Geschich­te fand der politi­sche Ascher­mitt­woch nur online statt.

«Alle Maßnah­men, die wir getrof­fen haben, waren richtig», sagte Söder. Jammern helfe nicht, auch wenn die Pande­mie jeden nerve. «Das Virus ist schuld», nicht die Politik, die Aufla­gen zur Eindäm­mung des Corona­vi­rus verhän­gen musste. «Durch­hal­ten bitte. Es wird von Tag zu Tag besser.» Jedes andere Konzept sei geschei­tert. Söder vertei­dig­te seinen Kurs in Bayern ebenso wie das Vorge­hen mit Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) und sprach über Corona als Prüfung für alle.

Zugleich präsen­tier­te Söder — für viele überra­schend — in seiner Rede eine vorsich­ti­ge Perspek­ti­ve für weite­re Locke­run­gen in Bayern. Sollten die Infek­ti­ons­zah­len weiter nach unten gehen und stabil bleiben, könnten bald Gärtne­rei­en wieder öffnen und mehr Kontak­te möglich werden. Anders als sein Koali­ti­ons­part­ner Freie Wähler vermied es Söder aber, verbind­li­che Locke­run­gen bis Ostern zu nennen.

SPD-Kanzler­kan­di­dat Olaf Scholz — per Stream aus dem nieder­baye­ri­schen Vilsho­fen übertra­gen — beschwor den Zusam­men­halt der Gesell­schaft. «Wir brauchen eine Gemein­schaft, die bereit ist, gegen eine so große Bedro­hung zu kämpfen», sagte der Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter. Fast alle Bürger zögen mit — da seien auch keine Beleh­run­gen von Politi­kern nötig. «Es sind die Bürger, die dafür sorgen, dass es klappt», beton­te er und unter­strich die Fortfüh­rung der Hilfs­pro­gram­me des Bundes. «Wir werden bis zum Ende der Krise gegenhalten.»

Grünen-Chefin Annale­na Baerbock bemän­gel­te die ihrer Ansicht nach fehlen­den Perspek­ti­ven in der Pande­mie. Zudem zeige die Bundes­re­gie­rung mangeln­de Entschlos­sen­heit und Zusam­men­ar­beit. «Das Land hält zusam­men. Diese Gesell­schaft wächst täglich über sich hinaus. Aber in der Bundes­re­gie­rung kämpft nach wie vor jeder für sich allei­ne.» Vor allem Wirtschafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er (CDU) und Minis­ter Scholz arbei­te­ten bei den Corona-Hilfen nicht gut zusammen.

Grünen-Co-Chef Robert Habeck kriti­sier­te zudem die regel­mä­ßi­gen Konfe­ren­zen der Minis­ter­prä­si­den­ten mit der Bundes­kanz­le­rin in der Corona-Pande­mie. Die Runde könne als koordi­nie­ren­des Gremi­um eine Bedeu­tung haben, sagte Habeck. «Aber dann muss sie auch koordi­nie­ren.» Sie sollte nach seinen Worten keine Bühne für die ungeklär­te Macht­fra­ge der Union sein, kein «eitles Schau­lau­fen zwischen München und Düssel­dorf», erklär­te er in Anspie­lung auf CDU-Chef Armin Laschet und Söder, die beide als mögli­che Kanzler­kan­di­da­ten der Union gehan­delt werden.

Apropos Laschet — anders als noch vor einem Jahr war der neue CDU-Chef am Mittwoch kein Ascher­mitt­wochs-Haupt­red­ner. Gleich­wohl durfte auch er sich äußern — in einem knapp achtmi­nü­ti­gen Grußwort bei der CSU-Veran­stal­tung, ein absolu­tes Novum. Laschet umschiff­te das Thema Corona weitge­hend und konzen­trier­te sich vielmehr auf den anste­hen­den Bundes­tags­wahl­kampf: «Wenn CDU und CSU so dicht beiein­an­der stehen, werden wir auch dieses so wichti­ge Wahljahr bestehen», sagte der nordrhein-westfä­li­sche Ministerpräsident.

FDP-Chef Chris­ti­an Lindner stell­te der deutschen Corona-Strate­gie ein verhee­ren­des Zeugnis aus. Es sei ein «Offen­ba­rungs­eid», dass eine digita­le Indus­trie­na­ti­on bis heute keine Alter­na­ti­ven zu Kontakt­be­schrän­kun­gen gefun­den habe, sagte er in München. Vieles klinge nicht nach Pande­mie-Bekämp­fung, sondern nach «Stuben­ar­rest».

Lindner rief Merkel dazu auf, noch im Febru­ar mit den Ländern eine neue Öffnungs­stra­te­gie zu erarbei­ten. Der angepeil­te Termin im März sei zu spät: «Wir brauchen eine andere Pande­mie­stra­te­gie — bereits heute.» Darüber hinaus müssten die Finanz­hil­fen für die vom Lockdown betrof­fe­nen Unter­neh­men schleu­nigst ausge­zahlt werden.

Die stell­ver­tre­ten­de Linke-Chefin Janine Wissler warnte unter­des­sen im Zuge der Pande­mie vor einer weite­ren sozia­len Spaltung. So reiche eine einma­li­ge Zahlung von 150 Euro für Hartz-IV-Empfän­ger nicht, beton­te sie. Es sei eine einma­li­ge Abgabe für die reichs­ten 0,7 Prozent der Bevöl­ke­rung nötig. «Es gibt Geld wie Heu in diesem Land, aber es ist zutiefst ungerecht verteilt.»

Die AfD fuhr im fränki­schen Greding beson­ders schwe­re Geschüt­ze gegen die Corona-Politik auf. Der AfD-Bundes­tags­ab­ge­ord­ne­te Gottfried Curio sagte: «Das Volk so lange an die Kanda­re nehmen, dass es bis zur Bundes­tags­wahl ein Sklaven­syn­drom entwi­ckelt hat und froh ist, von Mutti wieder in die Freiheit entlas­sen zu werden» — das sei das Prinzip der Bundes­re­gie­rung im Krisen­ma­nage­ment. Der Lockdown-Horror müsse auf den Tisch und «muss bei den Wahlen abgestraft werden».