Fikti­ver Lohn mag klingen wie Geld für lau. In Zeiten von Corona dreht es sich um die Existenz­grund­la­ge für Soloselbst­stän­di­ge. Betrof­fen ist beson­ders die Kultur­sze­ne. Die darf jetzt hoffen.

Nach ihrer Einschät­zung dürfte «die größte Zielgrup­pe neben anderen Branchen aus der Kreativ­wirt­schaft kommen». Nach Angaben der CDU-Politi­ke­rin geht es im Kultur- und Kreativ­be­reich um die Existenz von gut 1,5 Millio­nen Menschen, die mehr als 100 Milli­ar­den Euro an Wertschöp­fung zum Brutto­in­lands­pro­dukt beitragen.

Das neue Gesamt­pa­ket der Bundes­re­gie­rung umfasst zehn Milli­ar­den Euro. Direkt betrof­fe­ne Soloselbst­stän­di­ge können nach Angaben vom Donners­tag 75 Prozent ihres Umsat­zes aus einem vergleich­ba­ren Vorjah­res­zeit­raum anset­zen. Andere staat­li­che Leistun­gen werden gegebe­nen­falls angerechnet.

Für eine solche Unter­stüt­zung hatten die Kultur­mi­nis­ter auch der Länder seit den ersten coronabe­ding­ten Einschrän­kun­gen im Frühjahr gewor­ben. «Es ist ein sehr wichti­ges Signal», sagte Grütters der dpa. Soloselbst­stän­di­ge wie etwa Künst­ler oder Musiker können nun eine Förde­rung bis zu 5000 Euro direkt beantra­gen. «Dies ist auch eine Anerken­nung ihrer Lebens- und Arbeits­wei­se.» Erst jenseits dieser Grenze ist ein Steuer­be­ra­ter notwen­dig — und damit die von vielen Kultur­schaf­fen­den befürch­te­te Bürokratie.

Nach dem ersten allge­mei­nen Hilfs­pa­ket des Bundes und zahlrei­chen Initia­ti­ven in einzel­nen Ländern gab es bereits Unter­stüt­zung eigens für die Kultur- und Kreativ­sze­ne. Das eine Milli­ar­de Euro umfas­sen­de Hilfs­pa­ket, im Hause Grütters «Neustart Kultur» getauft, wird aktuell an einzel­ne Betrof­fe­ne und Insti­tu­tio­nen geleitet.

Allein­ge­las­sen fühlten sich lange Zeit freischaf­fen­de Künst­ler, die wie in einigen anderen Branchen auch als Soloselbst­stän­di­ge arbei­ten. Sie konnten zum Beispiel keine laufen­den Betriebs­kos­ten geltend machen, etwa wenn ihre Wohnung auch der Ort für Arbeit oder Übungen war. Damit waren sie meist auf die eigens geöff­ne­te Grund­si­che­rung Hartz IV angewie­sen, wo sich viele Betrof­fe­ne nicht sahen.

«Dysfunk­tio­nal» nennt etwa Zoë Claire Miller vom Bundes­ver­band Bilden­der Künst­le­rin­nen und Künst­ler (BBK) in Berlin solche Wege. Aus Sicht des Verban­des drohen ohne weite­re Hilfen deutli­che Konse­quen­zen für die Betrof­fe­nen. «Es geht um die Existenz der Menschen», sagte Miller der Deutschen Presse-Agentur. Die Einschrän­kun­gen würden sich auch über den nun betrof­fe­nen Novem­ber hinaus auswir­ken. Entspre­chend müsste auch ein fikti­ver Unter­neh­mer­lohn für Soloselbst­stän­di­ge weiter in Anspruch genom­men werden können.

Für den Deutschen Kultur­rat sind die neuen Hilfen ein Schritt in die richti­ge Richtung. «Die Politik hat erkannt, dass sie ihre harte Haltung nicht aufrecht erhal­ten kann», sagte der Geschäfts­füh­rer der Dachor­ga­ni­sa­ti­on der Bundes­kul­tur­ver­bän­de, Olaf Zimmer­mann, der dpa in Berlin. Soloselbst­stän­di­ge im Kultur­be­reich seien «beson­ders gebeu­telt». Mit der nun geöff­ne­ten Tür könne über die Bedin­gun­gen gespro­chen werden. Dabei komme es darauf an, «die Hilfe nicht mit bürokra­ti­schen Hürden zu verstellen».

Für Grütters werden die Bedürf­nis­se jetzt richtig anerkannt. «Es ist geplant, die Hilfen ganz unmit­tel­bar, unbüro­kra­tisch und einfach beantra­gen zu können», sagte sie. «Das ist ein Fortschritt im Bemühen, die Krise zu bewäl­ti­gen, und vor allen Dingen ist es ein Zeichen der Wertschät­zung für viele, die in der Kultur- und Kreativ­wirt­schaft tätig sind und dort viel für unser Gemein­we­sen leisten.»

Zudem sollten auch indirekt Betrof­fe­ne Überbrü­ckungs­hil­fe bekom­men können. «Das betrifft gerade auch den Kultur­be­reich. Es gibt viele in der Kultur- und Kreativ­wirt­schaft, die sicht­bar auf der Bühne der Kultur stehen, aber es gibt häufig viel mehr im Hinter­grund Beschäf­tig­te, die die künst­le­ri­sche Leistung erst ermög­li­chen. Sie werden berück­sich­tigt, wenn sie 80 Prozent ihres Einkom­mens im Kontext der direkt betrof­fe­nen Betrie­be erwirtschaften.»

Öffent­li­che Hilfen allein reichen an vielen Stellen nicht. Deswe­gen gibt es bundes­weit zahlrei­che Initia­ti­ven, über die priva­te Spenden für die Betrof­fe­nen gesam­melt werden. Auch am Donners­tag erfolg­te wieder ein Aufruf: Die Gesell­schaft der Freun­de der Berli­ner Akade­mie der Künste warb für einen seit April 2020 bestehen­den Nothil­fe­fonds. Bisher flossen daraus mehr als 56.000 Euro an 43 Künst­le­rin­nen und Künst­ler aus 22 Ländern.