STUTTGART (dpa/lsw) — In Baden-Württem­berg fehlen tausen­de Lehrkräf­te, und auch für die zusätz­li­chen Studi­en­plät­ze gibt es nicht immer genügend Inter­es­sen­ten. Nun will das Land Studi­um und Referen­da­ri­at zusam­men­schnü­ren — zumin­dest für 60 Studie­ren­de pro Jahr.

Die Landes­re­gie­rung will einen dualen Lehramts­stu­di­en­gang in Baden-Württem­berg einrich­ten. Der Master­stu­di­en­gang solle zum Winter­se­mes­ter 2024/2025 als Modell­pro­jekt an drei Stand­or­ten mit insge­samt 60 Plätzen starten, teilten Kultus­mi­nis­te­rin There­sa Schop­per und Wissen­schafts­mi­nis­te­rin Petra Olschow­ski (beide Grüne) am Mittwoch in Stutt­gart mit. Die Studi­en­plät­ze sollen an der Pädago­gi­schen Hochschu­le Karls­ru­he sowie an den Univer­si­tä­ten in Freiburg und Stutt­gart geschaf­fen werden.

Mit dem neuen Angebot wolle man angesichts des Lehrer­man­gels neue Zielgrup­pen für das Lehramt erschlie­ßen, sagte Olschow­ski. «Durch die starke Praxis­nä­he, die Vergü­tung bereits im Studi­um und die Verkür­zung der Ausbil­dungs­dau­er wollen wir das Lehramt für noch mehr Studie­ren­de inter­es­sant und attrak­tiv machen», sagte Schopper.

Nach Angaben des Kultus­mi­nis­te­ri­ums fehlen derzeit in Baden-Württem­berg über alle Schul­ar­ten hinweg mehr als 3000 ausge­bil­de­te Lehrkräf­te. Außer­dem habe man das Problem, dass man zwar zusätz­li­che Studi­en­plät­ze geschaf­fen habe, diese aber nicht in allen Berei­chen beset­zen könne, sagte Olschowski.

Das neue Studi­en­an­ge­bot richtet sich zunächst an Bache­lor-Absol­ven­ten der Fächer Mathe­ma­tik, Physik, Infor­ma­tik, Elektro­tech­nik oder Infor­ma­ti­ons­tech­nik, die bislang keine Vorer­fah­run­gen im pädago­gi­schen Bereich haben. Sie sollen inner­halb von drei Jahren ein Lehramts-Master­stu­di­um und das Referen­da­ri­at abschlie­ßen. Bislang dauert ein Master­stu­di­um norma­ler­wei­se zwei Jahre, danach schließt sich noch der Vorbe­rei­tungs­dienst an den Schulen an, der nochmals einein­halb Jahre geht.

Im dualen Studi­um sollen sich Praxis­blö­cke an den Schulen und den Semina­ren für Lehrer­bil­dung mit Theorie­blö­cken an den Hochschu­len abwech­seln. Direkt zum Beginn des Studi­ums sollen die Studie­ren­den einen Praxis­block an den Schulen absol­vie­ren. Damit wolle man auch einer verän­der­ten Erwar­tung der Studie­ren­den an ihr Studi­um gerecht werden. «Ganz oft ist die Rückmel­dung: Wir wollen schnel­ler ein Gefühl für die Praxis bekom­men», sagte Olschowski.

Zudem sollen die Studie­ren­den bereits während des Studi­ums Geld verdie­nen. Die genaue Auftei­lung und weite­re Details werde gerade noch erarbei­tet, sagten die Minis­te­rin­nen. «Im Detail macht das sehr viel Arbeit, es gibt einen großen Regelungs­be­darf», sagte Schop­per. Offen ist etwa noch die Frage, wie viel Geld die Studie­ren­den monat­lich bekom­men sollen und wie die Praxis- und Theorie­an­tei­le konkret verteilt werden sollen. Studi­um und Referen­da­ri­at könnten aber «ohne Quali­täts­ein­bu­ßen» verkürzt werden, hieß es.

Lehrer­ver­bän­de sehen den neuen Weg ins Lehramt kritisch. Es seien noch viele Fragen offen, teilte der Philo­lo­gen­ver­band mit. Unklar sei, wann im dualen Studi­um eine fachli­che Vertie­fung möglich sei, die über das Bache­lor-Niveau hinaus­ge­he. Der Verband befürch­tet ein sinken­des fachli­ches Niveau der Lehrkräfte.

Auch der Verband Bildung und Erzie­hung (VBE) fürch­tet einen Verlust von Quali­tät. «Baden-Württem­berg muss aufpas­sen, sich in der Ausbil­dung seiner Lehrkräf­te nicht zu verzet­teln. Die aktuel­le Notla­ge darf nicht dazu führen, alle Schleu­sen zu öffnen und die Profes­si­on immer weiter zu verwäs­sern», sagte der VBE-Landes­chef Gerhard Brand. Origi­när ausge­bil­de­te Lehrkräf­te dürften nicht zu einer bedroh­ten Minder­heit werden. «Das Land sollte daher alles unter­neh­men, um die origi­nä­re Lehramts­aus­bil­dung zu stärken und dies auch klar gegen­über der Einfüh­rung neuer Ausbil­dungs­we­ge priori­sie­ren», sagte Brand.

Zustim­mung kommt dagegen vom Verband Unter­neh­mer Baden-Württem­berg (UBW). Man begrü­ße den neuen Weg in den Lehrer­be­ruf, sagte Stefan Küpper, Geschäfts­füh­rer für Politik, Bildung und Arbeits­markt. «Die Wirtschaft in Baden-Württem­berg macht seit vielen Jahren gute Erfah­run­gen mit dualen Studi­en­gän­gen zur Rekru­tie­rung ihres Fachkräf­te­nach­wuch­ses», sagte er. Zudem sei die Konzen­tra­ti­on auf Mangel­fä­cher wie Mathe­ma­tik, Infor­ma­tik und Physik sinnvoll.

Im Grund­satz sei das Lehramts­stu­di­um aber sehr beliebt, sagte Wissen­schafts­mi­nis­te­rin Olschow­ski. Eine Studie, die das Minis­te­ri­um ausge­schrie­ben hatte, kommt zu dem Ergeb­nis, dass rund 80 Prozent der Studie­ren­den ihr Bache­lor-Studi­um im Bereich Grund­schu­le oder Sekun­dar­stu­fe 1 erfolg­reich abschlie­ßen. Jeder Fünfte wechselt jedoch auch den Studi­en­gang oder bricht das Studi­um ab. Als Grund nannte Olschow­ski unter anderem andere Erwar­tun­gen an das Studi­um oder den späte­ren Beruf. Das Master­stu­di­um schlie­ßen der Studie zufol­ge rund 92 Prozent der Studie­ren­den erfolg­reich ab.