BERLIN (dpa) — Steigen­de Energie­prei­se, Liefer­ket­ten-Proble­me und hohe Infla­ti­on: Steht Deutsch­land eine Wirtschafts­kri­se bevor? Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner zeigt sich besorgt.

Finanz­mi­nis­ter Chris­ti­an Lindner (FDP) schwört die Bürger in Deutsch­land angesichts steigen­der Preise infol­ge des Ukrai­ne-Kriegs auf eine lange Phase mit Entbeh­run­gen ein.

«Meine Sorge ist, dass wir in einigen Wochen und Monaten eine sehr besorg­nis­er­re­gen­de Situa­ti­on haben könnten», sagte Lindner im ZDF-«heute journal». «Es geht ja um drei bis vier, vielleicht fünf Jahre der Knapp­heit. Und dafür müssen wir eine Antwort finden.» Er fügte an: «Es besteht die Gefahr einer sehr ernst­zu­neh­men­den Wirtschafts­kri­se aufgrund der stark gestie­ge­nen Energie­prei­se, aufgrund der Liefer­ket­ten-Proble­me, aufgrund auch der Inflation.»

Daher sei es notwen­dig, über alle Möglich­kei­ten zu sprechen, auch über verlän­ger­te Laufzei­ten für die drei noch funkti­ons­fä­hi­gen Kernkraft­wer­ke hierzulande.

Ampel berät über Energiekrise

Die Spitzen der Ampel­ko­ali­ti­on beraten an diesem Mittwoch über mögli­che Schrit­te gegen die Preis­stei­ge­run­gen insbe­son­de­re von Gas und Energie infol­ge des russi­schen Angriffs­kriegs auf die Ukrai­ne. Seit einigen Tagen pumpt Russland deutlich weniger Gas nach Deutsch­land — die Versor­gungs­la­ge ist daher laut Bundes­netz­agen­tur angespannt. Dies hatte unter anderem die Debat­te um eine Laufzeit­ver­län­ge­rung der Atomkraft­wer­ke in Deutsch­land neu entfacht.

Darüber hinaus warnte Lindner wegen hoher Energie­prei­se vor einer «ernst­zu­neh­men­den Wirtschafts­kri­se». Obers­tes Ziel müsse nun sein, die Infla­ti­on zu stoppen. «Nicht nur wegen der Wirtschaft, sondern weil viele Menschen auch Sorgen haben, ob sie das Leben bezah­len können.»

Die Ampel-Koali­ti­on strei­tet darüber, wie Energie­si­cher­heit gewähr­leis­tet werden kann. SPD und die Grünen sind gegen Frack­ing und eine Laufzeit­ver­län­ge­rung der Kernener­gie. Die FDP dagegen will das nicht ausschlie­ßen. «Wir können auch unsere eigenen Möglich­kei­ten nutzen bei der Energie­ver­sor­gung. Etwa die heimi­schen Gas- und Ölvor­kom­men, sie sind inzwi­schen viel wirtschaft­li­cher als noch vor wenigen Monaten aufgrund der gestie­ge­nen Weltmarkt­prei­se», sagte Lindner und fügte hinzu: «Es darf jetzt keine Denkta­bus geben, wenn es darum geht, die Preis­ent­wick­lung für die Menschen zu kontrollieren.»

Lindner: Sollten Kernener­gie in Betracht ziehen

Lindner beton­te, es sei richtig, dass es darüber kein Einver­neh­men in der Koali­ti­on gebe, aber es gebe keinen Streit. «Mich befrie­digt jeden­falls nicht, dass wir die klima­schäd­li­che Kohle verlän­gern, die Möglich­kei­ten der Kernener­gie aber nicht einmal in Erwägung ziehen.» Er würde gerne alle Argumen­te und Alter­na­ti­ven kennen. Dass über Kernener­gie nicht einmal nachge­dacht werde, störe ihn angesichts «dieser enorm gestie­ge­nen Preise».

Der FDP-Vorsit­zen­de beton­te mit Blick auf russi­sche Gaslie­fe­run­gen und den Kreml­chef: «Nein, Putin hat uns nicht in der Hand, sondern wir sind die Gestal­te­rin­nen und Gestal­ter unseres Schick­sals.» Deutsch­land könne seine Energie­ver­sor­gung diver­si­fi­zie­ren, andere Liefer­ket­ten schlie­ßen und frei handeln.