LONDON (dpa) — Nach wochen­lan­gem Wettstreit steht die Nachfol­ge des briti­schen Premiers Johnson fest. Auf die Neue in der Downing Street, Liz Truss, warten etliche Probleme.

Liz Truss wird neue Premier­mi­nis­te­rin des Verei­nig­ten König­reichs und damit Nachfol­ge­rin von Boris Johnson. Die Mitglie­der der regie­ren­den Konser­va­ti­ven Partei wählten die bishe­ri­ge Außen­mi­nis­te­rin mit mehr als 81.000 Stimmen zu ihrer neuen Vorsit­zen­den. Truss zieht damit auch in den Regie­rungs­sitz Downing Street ein.

Die 47-Jähri­ge setzte sich im inter­nen Wahlkampf gegen den frühe­ren Finanz­mi­nis­ter Rishi Sunak durch, der rund 60.000 Stimmen erhielt, wie der Chef des zustän­di­gen Frakti­ons­ko­mi­tees, Graham Brady, am Montag in London mitteil­te. Königin Eliza­beth II. wird Truss an diesem Diens­tag auf ihrem Schloss Balmo­ral in Schott­land zur Premier­mi­nis­te­rin ernen­nen. Damit wird Truss die dritte Frau an der briti­schen Regie­rungs­spit­ze nach Marga­ret Thatcher und There­sa May.

Truss dankte nach ihrem Wahlsieg dem schei­den­den Regie­rungs­chef Boris Johnson. In ihrer ersten Rede direkt nach ihrer Wahl nannte die 47-Jähri­ge den Amtsin­ha­ber einen Freund. Johnson habe den Brexit erledigt, die Labour-Partei abgewehrt, für die schnel­le Einfüh­rung des Corona-Impfstoffs gesorgt und sich gegen den russi­schen Präsi­den­ten Wladi­mir Putin gestellt, sagte Truss am Montag in London.

Am Diens­tag wird sich Johnson ein letztes Mal als Premier an die Bevöl­ke­rung wenden, bevor er in Schott­land von der Queen aus dem Amt entlas­sen wird. Der 58-Jähri­ge schei­det nach zahlrei­chen Skanda­len auf Druck seines Kabinetts und der Frakti­on aus. Die «Partygate»-Affäre um verbo­te­ne Lockdown-Feiern in Johnsons Amtssitz hatte ihn ins Wanken gebracht. Mehre­re weite­re Skanda­le und sein Umgang damit brach­ten den Premier dann zu Fall. Ein mögli­ches Comeback gilt jedoch nicht als ausge­schlos­sen. Noch immer hat der Politi­ker, der zunächst einfa­cher Abgeord­ne­ter bleiben wird, eine starke Unter­stüt­zer­ba­sis in der Partei.

Die gut 175.000 Partei­mit­glie­der konnten in den vergan­ge­nen Wochen per Brief oder online abstim­men. Sunak und Truss hatten sich zuvor in mehre­ren Abstim­mungs­run­den der konser­va­ti­ven Abgeord­ne­ten durchgesetzt.

Truss punkte­te unter anderem mit Steuerpolitik

Truss wird dem rechten Flügel der Partei zugeord­net. Einst eine entschie­de­ne Brexit-Gegne­rin, betont sie nun schon länger die Vortei­le des EU-Ausstiegs. Die 47-Jähri­ge konnte im inner­par­tei­li­chen Wahlkampf vor allem mit dem Vorha­ben überzeu­gen, trotz enorm hoher Infla­ti­on sofort die Steuern senken zu wollen. Außer­dem sammel­te sie bei der Partei­ba­sis — die deutlich älter, männli­cher und wohlha­ben­der ist als der Durch­schnitt der briti­schen Bevöl­ke­rung — Punkte mit einer konfron­ta­ti­ven Linie gegen­über der EU und populis­ti­schen Äußerun­gen zu Flücht­lin­gen, Linken, Umwelt­ak­ti­vis­ten sowie gesell­schaft­li­chen Minderheiten.

Als größte Heraus­for­de­rung für die designier­te Regie­rungs­chefin gelten die hohen Energie­prei­se. Es wird erwar­tet, dass Truss inner­halb weniger Tage ihre Pläne im Kampf gegen die steigen­den Kosten für Strom und Gas vorstellt. Fraglich ist aller­dings, ob sie es schaf­fen wird, die Konser­va­ti­ve Partei nach einem harten Wahlkampf zu einen — in der Frakti­on hatte Sunak mehr Unter­stüt­zer. In der Außen­po­li­tik wird befürch­tet, dass Truss den Streit mit der EU um Brexit-Regeln für Nordir­land weiter eskaliert.