BERLIN/PARIS/BRÜSSEL (dpa) — Frank­reich ist tradi­tio­nell das Reise­ziel Nummer eins eines deutschen Kanzlers oder einer deutschen Kanzle­rin. Auch Scholz hält sich daran. Es geht ihm vor allem darum, eines zu demons­trie­ren: Einig­keit für Europa.

Der neue Bundes­kanz­ler Olaf Scholz und der franzö­si­sche Präsi­dent Emmanu­el Macron wollen sich gemein­sam für ein stärke­res Europa einsetzen.

«Wichtig ist, dass wir da gleich­ge­rich­tet agieren, dass wir mitein­an­der zusam­men­ar­bei­ten», sagte Scholz am Freitag bei seiner ersten Auslands­rei­se als Kanzler zwei Tage nach der Verei­di­gung im Bundes­tag. «Es geht darum, wie wir Europa stark machen können, die europäi­sche Souve­rä­ni­tät in all’ den Dimen­sio­nen, die dazuge­hö­ren.» Das betref­fe Wirtschaft, Sicher­heits- und Außen­po­li­tik gleichermaßen.

Macron sagte zu Scholz, die enge Koope­ra­ti­on beider Länder solle so gut wie mit seiner Vorgän­ge­rin Angela Merkel (CDU) weiter­ge­hen. «Wir haben den Willen manifes­tiert, zusammenzuarbeiten.»

Von Paris nach Brüssel

Nach einem gut dreistün­di­gen Aufent­halt in Paris reiste Scholz nach Brüssel weiter, wo er EU-Kommis­si­ons­prä­si­den­tin Ursula von der Leyen traf, mit der er in Berlin schon am Kabinetts­tisch geses­sen hat. «Deutsch­land war und ist immer sehr wichtig für die Entwick­lung unserer Gemein­schaft», sagte die CDU-Politi­ke­rin bei einer gemein­sa­men Presse­kon­fe­renz. Die deutschen Kanzler und die deutsche Kanzle­rin hätten immer einen sehr prägen­den Einfluss. «Deshalb ist Ihr frühzei­ti­ger Besuch hier bei der Europäi­schen Kommis­si­on für uns alle ein sehr ermuti­gen­des Signal.» Scholz bezeich­ne­te Deutsch­land als «sehr europäi­sche Nation», die sich für den Fortschritt in Europa unmit­tel­bar verant­wort­lich fühlen müsse.

Der Kanzler und seine zehnköp­fi­ge Delega­ti­on flogen am Vormit­tag mit dem Regie­rungs-Airbus «Theodor Heuss» nach Paris. Scholz kennt den Flieger schon von seinen Reisen als Vizekanz­ler und Finanz­mi­nis­ter. Schon lange vor seiner Wahl zum Kanzler hatte er angekün­digt, dass seine erste Auslands­rei­se nach Paris zu Macron gehen würde. «Wir treffen uns, um eine gemein­sa­me Strate­gie mit Frank­reich zu entwi­ckeln», sagte er vor seinem Abflug.

Macron empfing Scholz zu einem Vier-Augen-Gespräch und einem Mittag­essen im Élysé­e­pa­last — Lammko­te­lett, Gemüse in Argan­öl und Trüffel mit Élysée-Kartof­feln und ein Blätter­teig-Dessert standen auf der Speisekarte.

Mit Blick auf den Ukrai­ne-Konflikt appel­lier­te Scholz an Russland, die Unver­letz­lich­keit der Grenzen zu akzep­tie­ren. «Es geht nicht nur um Macht, es geht auch um Prinzi­pi­en, die für alle mitein­an­der verbind­lich sind.» Macron warnte vor einer Eskala­ti­on und sprach sich gegen das Verbrei­ten sich am Ende selbst­er­fül­len­der Prophe­zei­un­gen aus. Wichtig sei die Stabi­li­tät der Ukraine.

Keine Entschei­dung in Sachen Olympia

Bei der Frage eines diplo­ma­ti­schen Boykotts der Olympi­schen Winter­spie­le in Peking wegen Menschen­rechts­ver­let­zun­gen in China sprachen Scholz und Macron von der Notwen­dig­keit eines abgestimm­ten Vorge­hens. Eine Entschei­dung sei noch nicht getrof­fen, so Scholz. Macron verwies auf seine Äußerun­gen vom Vortag. Er hatte da deutlich gemacht, dass er einen diplo­ma­ti­schen Boykott für nicht hilfreich hält.

Bislang haben sich Länder wie Kanada und Großbri­tan­ni­en einer US-Initia­ti­ve angeschlos­sen, die vorsieht, keine Regie­rungs­ver­tre­ter zu den Winter­spie­len vom 4. bis zum 20. Febru­ar 2022 zu entsen­den. China steht wegen Menschen­rechts­ver­let­zun­gen im Umgang mit Uiguren und Tibetern, wegen der Unter­drü­ckung der Demokra­tie­be­we­gung in Hongkong und Drohun­gen gegen Taiwan in der Kritik westli­cher Staaten.

Der erste Antritts­be­such von Kanzlern und Kanzle­rin­nen geht tradi­tio­nell nach Frank­reich. Gerhard Schrö­der war 1998 sogar schon vor seiner Wahl zum Regie­rungs­chef in Paris. 2005 flogen Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) und ihr damali­ger Außen­mi­nis­ter Frank-Walter Stein­mei­er (SPD) gemein­sam nach Paris und dann nach Brüssel.

Diesmal ist Außen­mi­nis­te­rin Annale­na Baerbock (Grüne) dem Regie­rungs­chef Scholz mit ihren Antritts­be­su­chen einen Schritt voraus. Sie war bereits am Donners­tag in Paris und Brüssel. Am Freitag absol­viert sie ihren Antritts­be­such in Polen, dem zweit­größ­ten Nachbar­land Deutsch­lands nach Frank­reich. Scholz wird in Warschau erst am Sonntag erwartet.

Auch Baerbock sagte in Paris, ein starkes Europa brauche starke deutsch-franzö­si­sche Impul­se. 100 Prozent Harmo­nie gab es bei ihrer Visite aber nicht. Baerbock bekräf­ti­ge ihre Ableh­nung der franzö­si­schen Pläne zur Einstu­fung von Atomkraft als «grüner» Energie: «Dass wir zu der Frage Nukle­ar unter­schied­li­che Positio­nen haben, das ist ja bekannt», sagte sie. Scholz äußer­te sich am Freitag am Rande des Treffens mit von der Leyen ähnlich. «Andere Länder verfol­gen andere Zielset­zun­gen und ich glaube, wir sind noch nicht beiein­an­der», sagte er. «Aber alle disku­tie­ren über die Frage, wie man beiein­an­der kommen kann. Mal sehen.»

Von Micha­el Fischer, Micha­el Evers, Ansgar Haase und Michel Winde, dpa