NEW YORK/KIEW (dpa) — «Ich erkann­te das Gepäck, und da wusste ich Bescheid»: Über in sozia­len Netzwer­ken verbrei­te­te Fotos hat ein Mann von dem Tod seiner Frau und seiner beiden Kinder in Kiew erfahren.

Der Krieg in der Ukrai­ne sorgt täglich für Tausen­de drama­ti­sche Fotos, die die katastro­pha­le Lage der Menschen im Land zeigen. Auch die vielen Toten sind dabei oft und überall zu sehen — ein Mann aus der Ukrai­ne erfuhr so ausge­rech­net über sozia­le Medien vom Tod seiner Familie.

«Ich erkann­te das Gepäck (auf Fotos), und da wusste ich Bescheid», sagte er der «New York Times». Seine Frau und seine beiden Kinder starben am Sonntag nahe der Haupt­stadt Kiew, als ein Geschoss offen­bar nur wenige Meter entfernt einschlug. Der Mann war zu dem Zeitpunkt im Osten der Ukrai­ne, um sich um seine kranke Mutter zu kümmern. Neben der 43-jähri­gen Mutter starben am Sonntag auch ihre neunjäh­ri­ge Tochter, der 18 Jahre alte Sohn und ein Helfer.

Familie floh 2014 nach Kiew

Mehr als 20 Jahre sei das Paar verhei­ra­tet gewesen, berich­te­te die «New York Times». Sie habe als Buchhal­te­rin gearbei­tet, er als Program­mie­rer. Die Familie floh demnach bereits 2014 aus dem Osten der Ukrai­ne nach Kiew, als pro-russi­sche Aktivis­ten die Gebie­te Donezk und Luhansk als Volks­re­pu­bli­ken ausrie­fen und dort Kämpfe ausbrachen.

In der Nacht zum Sonntag habe er zum letzten Mal mit seiner Frau gespro­chen, erzähl­te der Mann der Zeitung. «Verzeih mir, dass ich dich nicht beschüt­zen konnte», habe er ihr am Telefon gesagt. «Ich habe versucht, mich um eine Person zu kümmern, und das bedeu­tet, dass ich dich nicht beschüt­zen kann.» Darauf­hin habe sie geant­wor­tet: «Mach dir keine Sorgen, ich werde es raus schaffen.»

«Habe nichts mehr zu verlieren»

Nach der Nachricht vom Tod seiner Familie trat der Mann dem Bericht zufol­ge die Rückrei­se nach Kiew an, die ihn auch durch Russland und Polen führte. An der russisch-polni­schen Grenze sei er von russi­schen Grenz­be­am­ten zunächst aufge­hal­ten und befragt worden, bevor sie ihn hätten weiter­rei­sen lassen. Den Beamten habe er gesagt: «Meine gesam­te Familie ist bei etwas gestor­ben, das Sie als Spezi­al­ope­ra­ti­on bezeich­nen und wir als Krieg. Sie können mit mir machen, was Sie wollen. Ich habe nichts mehr zu verlieren.»