MITTELBERG/MAXDORF (dpa/lrs) — Eine angeb­li­che «klassi­sche Feier­abend­run­de» in den öster­rei­chi­schen Alpen verwan­delt sich in einen riskan­ten Alptraum. 99 Schüler und 8 Lehrer aus dem Raum Ludwigs­ha­fen geraten in Bergnot. Dabei spielt das Inter­net eine Rolle. Die Rettung kommt aus der Luft.

Hubschrau­ber und Bergret­tung haben im öster­rei­chi­schen Klein­wal­ser­tal mehr als 100 in Bergnot gerate­ne Schüler und Lehrer aus Deutsch­land geret­tet. Die 99 Jugend­li­chen im Alter von 12 bis 14 Jahren und 8 Lehrer aus dem Raum Ludwigs­ha­fen waren am Diens­tag auf einer für ihre Ausrüs­tung und Fähig­kei­ten zu schwie­ri­gen Route unter­wegs, wie die Polizei Vorarl­berg in der Nacht zum Mittwoch mitteil­te. Die Lehrer eines Gymna­si­ums in Maxdorf hätten die Route aufgrund von irrefüh­ren­den Infor­ma­tio­nen aus dem Inter­net ausgesucht.

Im Netz sei die Route als «klassi­sche Feier­abend­run­de» beschrie­ben worden, erklär­te die Polizei. «Tatsäch­lich ist der schma­le Heuberg­grat ein teilwei­se ausge­setz­ter Weg mit Kletter­pas­sa­gen, der Schwin­del­frei­heit, Tritt­si­cher­heit sowie Erfah­rung im alpinen Gelän­de erfor­dert.» Zudem sei der Boden nass und rutschig gewesen. Nach anfäng­li­chem Sonnen­schein habe bei der Bergwan­de­rung Regen eingesetzt.

Als sich ein Teil der Gruppe zum Umkeh­ren entschied, rutsch­ten zwei Schüler ab und verletz­ten sich leicht. Da einzel­ne Jugend­li­che in Panik gerie­ten, setzten die Lehrer einen Notruf ab. Laut Polizei wurden etwa 70 Mitglie­der der Gruppe von zwei Hubschrau­bern mit Seilen gebor­gen, die anderen stiegen von Bergret­tern beglei­tet ab. Neben den zwei Leicht­ver­letz­ten waren mehre­re Schüler «erschöpft, unter­kühlt, durch­nässt und völlig aufge­löst», wie die Polizei weiter mitteil­te. Die Rettungs­ak­ti­on dauer­te rund drei Stunden.

Der Bürger­meis­ter von Mittel­berg, Andi Haid, kriti­sier­te im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur den Autor des Inter­net­ein­trags. Es gebe immer häufi­ger solche «äußerst verant­wor­tungs­lo­sen Inter­net­ein­trä­ge, die zu lebens­be­droh­li­chen Situa­tio­nen führen». Der Fall werde nach Abschluss der Erhebun­gen der Staats­an­walt­schaft Feldkirch zur straf­recht­li­chen Beurtei­lung übermit­telt, hieß es. Die Route ist laut Haid nicht mehr als offizi­el­ler Wander­weg ausge­schil­dert, weil es dort in der Vergan­gen­heit schon Proble­me gegeben habe.

Der Sprecher der Bergret­tung Vorarl­berg, Klaus Drexel, konnte sich im Gespräch mit der öster­rei­chi­schen Nachrich­ten­agen­tur APA an kein ähnli­ches Vorkomm­nis in der jünge­ren Vergan­gen­heit erinnern. Während­des­sen sei es aber schon zu mehre­ren Rettungs­ak­tio­nen gekom­men, weil sich Menschen auf irgend­wel­che Apps verlas­sen hätten.

Die von den beiden Heliko­ptern geret­te­ten rund 70 Bergwan­de­rer waren laut Drexel nachein­an­der in Dreier­grup­pen in der Luft: «Man kann sich ausrech­nen, wie oft geflo­gen werden musste.» Ein Sprecher der Polizei Vorarl­berg sagte, allei­ne der Einsatz der beiden Heliko­pter habe Tausen­de Euro gekos­tet. Die würden in Deutsch­land «in Rechnung gestellt».

Die Aufsichts- und Dienst­leis­tungs­di­rek­ti­on (ADD) in Trier teilte als Schul­auf­sicht mit, «dass wir natür­lich alle sehr erleich­tert sind, dass es den Schüle­rin­nen und Schülern sowie den Lehrkräf­ten soweit gut geht. Die Fahrt soll fortge­setzt werden und endet dann regulär am 10.06.2022.» Einige Schüler hätten das Angebot psycho­lo­gi­scher Betreu­ung genutzt. Alle Mädchen und Jungen seien zum Kontakt mit ihren Eltern aufge­for­dert worden. Auch die Psycho­lo­gen der Bergret­tung schät­zen laut ADD «die Situa­ti­on so ein, dass die Fahrt nicht beendet werden muss».

Die Vorsit­zen­de des Philo­lo­gen­ver­ban­des Rhein­land-Pfalz, Corne­lia Schwartz, sagte, Lehrer stünden bei Klassen­fahr­ten im Spannungs­feld, Schülern bei überschau­ba­ren Kosten etwas Inter­es­san­tes bieten zu wollen und zugleich die Sicher­heit groß schrei­ben zu müssen. Nicht immer ließen sich unerwar­te­te Notsi­tua­tio­nen verhin­dern. Natür­lich könnten auch aller­dings kosten­pflich­ti­ge Bergfüh­rer vor Ort gebucht werden, ergänz­te Schwartz. Auch ihr Vater habe einst als evange­li­scher Pfarrer Gruppen­rei­sen geplant — «damals haben wir als Familie vorher unseren Urlaub drange­ge­ben und Vorer­kun­di­gun­gen gemacht». Das könne aber nicht von jedem Lehrer verlangt werden.