NEW YORK (dpa) — Ghislai­ne Maxwell spiel­te eine zentra­le Rolle beim sexuel­len Missbrauch von Mädchen durch den berüch­tig­ten US-Multi­mil­lio­när Epstein — das hat die Jury im New Yorker Prozess eindeu­tig festgestellt.

Die Ex-Partne­rin des gestor­be­nen US-Multi­mil­lio­närs Jeffrey Epstein, Ghislai­ne Maxwell, ist wegen Sexual­ver­bre­chen an Minder­jäh­ri­gen schul­dig gespro­chen worden. Die zwölf Geschwo­re­nen des Prozes­ses vor einem New Yorker Gericht fällten ihr Urteil am Mittwoch nach mehrtä­gi­gen Beratungen.

Am Ende des seit Novem­ber laufen­den Prozes­ses stell­ten sie damit fest, dass Maxwell als Helfe­rin des bis in höchs­te Kreise vernetz­ten Geschäfts­manns Epsteins eine zentra­le Rolle beim Aufbau eines Rings zum sexuel­len Missbrauch von Mädchen spielte.

Es droht lange Haft

Für die Verkün­dung des Straf­ma­ßes gab Richte­rin Alison Nathan zunächst keinen Termin bekannt. Maxwell drohen mehre­re Jahrzehn­te in Haft. Die 60-Jähri­ge war in sechs Punkten angeklagt, unter anderem wegen Menschen­han­dels mit Minder­jäh­ri­gen zu Missbrauchs­zwe­cken — in diesem und vier weite­ren Ankla­ge­punk­ten wurde sie schul­dig gespro­chen. Damit fällte die Jury — wie auch im Prozess gegen den ehema­li­gen Filmmo­gul Harvey Weinstein vergan­ge­nes Jahr — einen Schuld­spruch vor allem auf Basis von Aussa­gen weibli­cher Opfer und nicht aufgrund eindeu­ti­ger sachli­cher Beweise.

Maxwell nahm das Urteil laut einem Bericht der «New York Times» zunächst ungerührt hin und trank danach einen Schluck Wasser. Sie habe den Gerichts­saal ohne weite­re Gesprä­che mit ihren Anwäl­ten verlas­sen und dabei noch einen schnel­len Blick auf ihre Geschwis­ter gewor­fen, die bei dem Prozess im Stadt­teil Manhat­tan anwesend waren. Maxwell hatte die Vorwür­fe stets zurück­ge­wie­sen und während des Prozes­ses auf eine Aussa­ge verzichtet.

Der Missbrauch zahlrei­cher Minder­jäh­ri­ger durch Epstein und Maxwell soll über Jahrzehn­te auf dessen Anwesen in New York, Flori­da, Santa Fe und auf den Virgin Islands statt­ge­fun­den haben. Der Fall schlug in den USA auch deshalb hohe Wellen, weil der schwer­rei­che Unter­neh­mer mit Promi­nen­ten wie den Ex-Präsi­den­ten Bill Clinton und Donald Trump, Milli­ar­där Bill Gates und dem briti­schen Prinzen Andrew bekannt war. Eine frühe­re Ankla­ge gegen ihn münde­te in einem für Epstein sehr vorteil­haf­ten Deal. Spätes­tens dadurch wurde er zum Symbol einer gesell­schaft­li­chen Elite, die mit allem durchkommt.

Berufung angekün­digt

Sowohl die Vertei­di­gung als auch Maxwells Familie kündig­ten nach dem Urteil Berufung an. «Wir glauben fest an die Unschuld unserer Schwes­ter — wir sind sehr enttäuscht von dem Urteil», teilten die Angehö­ri­gen mit, wie die briti­sche Nachrich­ten­agen­tur PA in der Nacht zum Donners­tag melde­te. «Wir haben heute Abend bereits mit der Berufung begon­nen und sind der Überzeu­gung, dass ihr schließ­lich Gerech­tig­keit wider­fährt.» Auch Maxwells Anwäl­tin kündig­te Berufung an. «Wir glauben fest an Ghislai­nes Unschuld», sagte Bobbi Sternheim.

Staats­an­walt Damian Williams teilte angesichts des Urteils hinge­gen mit, dass der Gerech­tig­keit Genüge getan worden sei. «Ich möchte den Mut der Mädchen — jetzt erwach­se­ne Frauen — loben, die aus dem Schat­ten in den Gerichts­saal traten.» Ihre Coura­ge habe das Urteil erst ermög­licht. Zum Zeitpunkt der Taten waren die Opfer zwischen 14 und 17 Jahre alt.

Tod in der Gefängniszelle

Die Vertei­di­gung hatte den Fall von Beginn an als Abrech­nung mit juris­ti­schen Mitteln und Stell­ver­tre­ter­pro­zess darge­stellt, da die Staats­an­walt­schaft Epstein selbst nicht mehr belan­gen konnte. Der 66-Jähri­ge Epstein war während der Vorbe­rei­tung auf den Missbrauchs­pro­zess gegen ihn im August 2019 leblos in seiner Gefäng­nis­zel­le gefun­den und im Kranken­haus für tot erklärt worden. Ein Obduk­ti­ons­be­richt stell­te Suizid fest.

Maxwells Vertei­di­ge­rin Laura Mennin­ger hatte während des Prozes­ses gesagt, ihre Mandan­tin sei «eine unschul­di­ge Frau» und zu Unrecht für Verbre­chen angeklagt worden, die sie nicht began­gen habe. Die Ankla­ge der Staats­an­walt­schaft basie­re auf fehler­haf­ten Erinnerungen.

Staats­an­wäl­tin Alison Moe hatte Maxwell in ihrem Schluss­plä­doy­er vor Weihnach­ten dagegen als «gefähr­li­che» und «raffi­nier­te Sexual­straf­tä­te­rin» beschrie­ben. «Sie hat ihre Opfer manipu­liert und sie auf sexuel­len Missbrauch vorbe­rei­tet.» Die Britin sei «schick» und «lächelnd» aufge­tre­ten und habe so die Opfer, die oft aus proble­ma­ti­schen Verhält­nis­sen stamm­ten, Epstein zugeführt. Die Zeugin­nen hatten vor Gericht geschil­dert, wie Maxwell und Epstein sie mit Geld und Verspre­chun­gen lockten und dann sexua­li­sier­te Massa­gen von ihnen verlangten.

Epstein-Opfer begrü­ßen Entscheidung

Maxwell ist die Tochter des legen­dä­ren briti­schen Verle­gers Robert Maxwell (1923–1991) und war Anfang der 1990er Jahre nach New York gekom­men. Dort traf sie Epstein auf einer der zahlrei­chen Promi-Partys und war zeitwei­se mit ihm liiert. Epsteins Umfeld beschrieb ihre Rolle in seinem Leben als eine Mischung aus Angestell­ter und bester Freundin.

Opfer Epsteins begrüß­ten die Jury-Entschei­dung. Die US-Ameri­ka­ne­rin Virgi­nia Giuff­re, die Prinz Andrew sexuel­len Missbrauch vorwirft, forder­te, das Urteil gegen Maxwell dürfe kein Schluss­strich sein. «Maxwell hat nicht allei­ne gehan­delt. Andere müssen zur Verant­wor­tung gezogen werden», twitter­te Giuff­re. Sie beschul­digt Andrew, sie vor gut 20 Jahren als 17-Jähri­ge missbraucht zu haben. Der zweit­äl­tes­te Sohn der Queen weist die Vorwür­fe strikt zurück.

Von Benno Schwing­ham­mer und Barba­ra Munker, dpa