BERLIN (dpa) — Die Impfstoff­her­stel­ler arbei­ten wegen der Omikron-Varian­te an angepass­ten Vakzi­nen. Ist es dennoch sinnvoll, Kinder jetzt schon zu impfen? Das sagen die Experten.

Die Corona-Impfun­gen für Fünf- bis Elfjäh­ri­ge laufen in dieser Woche in Deutsch­land an.

Die Omikron-Varian­te und die von Impfstoff­her­stel­lern angekün­dig­te Arbeit an einem angepass­ten Vakzin dürfte für manche Eltern die Frage aufwer­fen, wie sinnvoll die Impfung mit dem bishe­ri­gen Impfstoff bei einem gesun­den Kind jetzt ist. Fachleu­te sind geteil­ter Meinung. Ein Überblick:

Kinder­ärz­te

«Gesun­den Kindern zwischen fünf und elf Jahren empfeh­len wir die Impfung wegen des Restri­si­kos noch unbekann­ter selte­ner Neben­wir­kun­gen ohnehin zunächst nicht generell», sagte der Sprecher des Berufs­ver­bands der Kinder- und Jugend­ärz­te, Jakob Maske, der Deutschen Presse-Agentur. «Daher plädie­ren wir in dem Fall auch dafür, erst einmal abzuwar­ten.» Bei einem Kind ab einem Alter von 12 Jahren hinge­gen könne man auf jeden Fall anfan­gen zu impfen. «Da würde ich nicht auf einen Omikron-Impfstoff warten», sagte Maske.

Infek­tio­lo­gin

Die Fachärz­tin für Mikro­bio­lo­gie, Virolo­gie und Infek­ti­ons­epi­de­mio­lo­gie Jana Schroe­der (Stiftung Mathi­as-Spital, Rheine) rät davon ab, auf die poten­zi­el­le Verfüg­bar­keit eines angepass­ten Impfstoffs in einigen Monaten zu speku­lie­ren. Noch habe Deutsch­land ein Problem mit der Delta-Varian­te. «Die Impfung wirkt gegen sie deutlich besser als gegen Omikron. Es ist momen­tan auch noch unklar, ob Omikron Delta völlig verdrän­gen wird.»

Bisher gebe es zwar noch keiner­lei Daten, wie gut die Impfung bei einer Omikron-Infek­ti­on noch vor schwe­ren Verläu­fen schüt­ze: «Von den dafür wichti­gen T‑Zellen ist aber bekannt, dass sie im Vergleich zu Antikör­pern stabi­ler auch auf Varian­ten reagie­ren.» Das heißt: Auch gegen Omikron wird ein Schutz vor schwe­ren Verläu­fen angenommen.

«Erste Beobach­tun­gen über schwe­re Verläu­fe bei Kindern aus Südafri­ka sollten wir ernst nehmen, auch wenn sich solche Befürch­tun­gen bei frühe­ren Varian­ten nicht bewahr­hei­tet haben», sagte Schroe­der. «Eine Häufung schwe­rer Fälle könnte Zufall sein — oder auch nicht. Bis es dazu klare Erkennt­nis­se aus Studi­en gibt, wird es Monate dauern. So rasant wie sich das Virus ausbrei­tet, haben wir nicht die Zeit darauf zu warten, sondern sollten unsere Entschei­dun­gen auch anhand von Daten aus dem laufen­den Infek­ti­ons­ge­sche­hen treffen.»

Schroe­der verweist auch auf Daten aus den USA, wo nach fünf Millio­nen verwen­de­ten Dosen des abgeschwäch­ten Impfstoffs für Fünf- bis Elfjäh­ri­ge laut Gesund­heits­be­hör­de CDC noch keine Fälle von Herzmus­kel- und Herzbeu­tel­ent­zün­dun­gen gemel­det worden seien.

Kinder-Lungen­fach­ärz­tin

Auch wenn viele Eltern fürch­te­ten, dass der Schutz der Impfstof­fe nicht mehr so gut sei: «Die Impfstof­fe schüt­zen sehr gut gegen die noch dominan­te Delta-Varian­te und bieten auch einen gewis­sen Schutz vor Omikron. Das ist in jedem Fall besser, als keinen Schutz zu haben», sagt Oberärz­tin Folke Brink­mann von der Univer­si­täts­kin­der­kli­nik Bochum. Sie rate eher zur Impfung als zur Infek­ti­on — und führt auch einen Nutzen für das Alltags­le­ben der Kinder an: Geimpf­te müssten zum Beispiel nicht in Quaran­tä­ne. «Wie infek­ti­ös die neue Omikron-Varian­te im Endef­fekt ist und wie schwer sie Kinder betrifft, ist momen­tan aller­dings noch unklar.»

Der Nutzen der Corona-Impfung für das einzel­ne Kind sei zwar nicht so groß wie bei alten Menschen, beispiels­wei­se bei über 80-Jähri­gen, sagt Brink­mann. Auf der Stati­on würden aber trotz der insge­samt gerin­ge­ren Krank­heits­last auch nicht vorer­krank­te Kinder wegen Covid-19 oder dem Entzün­dungs­syn­drom PIMS behan­delt. «Einzel­ne erwischt es schwer.» Auch mit Spätfol­gen wie gerin­ger Belast­bar­keit und Herzra­sen hätten in der Alters­grup­pe einige Kinder zu kämpfen. Solche Erkran­kun­gen infol­ge der Infek­ti­on seien auch von anderen Viren bekannt und sollten aus Sicht Brink­manns ernst­ge­nom­men werden, auch wenn sich die Häufig­keit bei Kindern bisher nicht sicher bezif­fern lasse.

Brink­mann geht davon aus, dass Forschungs­er­geb­nis­se aus den USA und Israel in Bezug auf die Impfung nicht vorer­krank­ter Kinder bereits in Kürze vorlie­gen werden. Dies werde dann auch Einfluss auf eine eventu­ell aktua­li­sier­te Stiko-Empfeh­lung haben.

Impfkom­mis­si­on

«Letzt­end­lich sollte Omikron für Eltern kein Krite­ri­um in der Impfent­schei­dung sein, da noch zu viele Ungewiss­hei­ten damit verbun­den sind», sagte Stiko-Chef Thomas Mertens vorige Woche der dpa. Auch erste Meldun­gen aus Südafri­ka über schwe­re Verläu­fe bei Kindern seien noch nicht so belast­bar. Es brauche mehr Zeit und gut angeleg­te Studi­en für die Bewertung.

Stiko-Mitglied und Kinder­arzt Martin Terhardt sagte hinge­gen am Montag im ARD-Mittags­ma­ga­zin: «Wenn Eltern den Wunsch haben, ihr Kind zu schüt­zen, dann ist es sicher­lich sinnvoll, die Impfung jetzt durch­zu­füh­ren und nicht auf eine neue Varian­te des Impfstof­fes zu warten. Denn der ist ja erst für März angekün­digt und ob der dann sofort für Kinder zugelas­sen wird, wissen wir auch nicht. Insofern glaube ich, dass das Abwar­ten aus diesem Grund keine Idee ist.»