BIBERACH/CHAMONIX — Am größten Gletscher Frank­reichs, dem „Mer de Glace“, entsteht derzeit ein neues Gletscher- und Klima­in­ter­pre­ta­ti­ons­zen­trum inklu­si­ve neuer Seilbahn. Mit der Umgestal­tung der Stati­on Monten­vers sollen Schüler, Touris­ten und Einwoh­ner noch besser für die Auswir­kun­gen des Klima­wan­dels sensi­bi­li­siert werden können. Gleich­zei­tig soll der Zugang zum Hochge­bir­ge erleich­tert werden, weil die neue Seilbahn näher an den Gletscher heran­rückt. Maßgeb­lich am Bau betei­ligt ist ein 150 EC‑B 8 von Liebherr, dessen Monta­ge mit einem Heliko­pter erfolgte. 

Der Turm für den Flat-Top Kran steht. Ein Heliko­pter hat ein Turmstück nach dem anderen zur Bergsta­ti­on Monten­vers auf 1.913 Meter Höhe trans­por­tiert, nachdem der Funda­men­tan­ker im Bergmas­siv befes­tigt worden war. Vier Monteu­re des Liebherr-Partners FT Monta­ge und sechs Flugas­sis­ten­ten von Helis­wiss Inter­na­tio­nal haben die Elemen­te aus der Luft entge­gen­ge­nom­men, durch Bolzen mitein­an­der verbun­den und sich so auf über 40 Meter Turmhö­he vorge­ar­bei­tet. Ihnen bietet sich an diesem Tag ein spekta­ku­lä­res Panora­ma: Felswän­de, Bäume und Eisfel­der funkeln in der Sonne. Für diesen Ausblick am Fuße des Mont-Blanc, dem höchs­ten Berg der Alpen und der Europäi­schen Union, haben sie jedoch keine Zeit. Der Heliko­pter befin­det sich mit der Drehbüh­ne im Anflug. 

„Die Monta­ge war eine wahre Teamar­beit, die ohne gegen­sei­ti­ges Vertrau­en nicht möglich gewesen wäre“, sagt Guillaume Riband, Betriebs­lei­ter Frank­reich Zentrum-Ost von Vinci Construc­tion France. „Alle haben an einem Strang gezogen und die Heraus­for­de­rung dadurch gemeis­tert.“ FT Monta­ge gewann aufgrund der Komple­xi­tät und Schwie­rig­keit des Einsat­zes den „Trophée des Grues á Tour“ in der Katego­rie „Monta­ge des Jahres“. Der Preis wird jährlich von der CPMDG (Fachkom­mis­si­on für Berufe und Geräte des Turmdreh­krans) des DLR-Verbands vergeben. 

EC‑B Baurei­he mit flexi­bler Auslegerlänge

Einen solchen Einsatz für einen 150 EC‑B 8 inmit­ten der Alpen gibt es nicht alle Tage. Der Kran mit einem 45 Meter langen Ausle­ger und einer Haken­hö­he von 42 Meter unter­stützt bis Juni 2023 beim Bau der neuen Seilbahn­sta­ti­on sowie bei der Errich­tung des neuen inter­na­tio­na­len Gletscher- und Klima­in­ter­pre­ta­ti­ons­zen­trums. Das neue „Glacio­ri­um“ soll das Aushän­ge­schild von Monten­vers werden und der breiten Öffent­lich­keit helfen, die mit der globa­len Erwär­mung verbun­de­nen Phäno­me­ne zu verste­hen. Die Umgestal­tung von Monten­vers kostet mehr als 50 Millio­nen Euro und soll im Dezem­ber 2024 fertig­ge­stellt werden. Bei dem Projekt wurde auf eine hohe ökolo­gi­sche und archi­tek­to­ni­sche Quali­tät geach­tet, um den Eingriff in die Natur so gering wie möglich zu halten. Bezüg­lich Energie­ver­brauch, Abfall­ent­sor­gung und Sensi­bi­li­sie­rung der Besucher erfüllt das Projekt hohe Standards.

Eine der größten Heraus­for­de­run­gen für die Baufir­ma war die Kranaus­wahl. Eigent­lich erfor­der­te die Baustel­le wegen der zu bewegen­den Lasten einen Kran im Bereich von 250 Meter­ton­nen. Diese Einheit berech­net sich aus der Ausla­dung (m) und der Traglast (t) und dient zur Klassi­fi­zie­rung der Krangrö­ße. Da ein solcher Kran zu schwer für die Heliko­pter­mon­ta­ge ist, suchte Liebherr gemein­sam mit den Kunden Solumat GAT (Materi­al­s­par­te der Vinci Gruppe) und CBCE Greno­ble (lokales Bauun­ter­neh­men der Vinci Gruppe) nach wirtschaft­li­chen Alter­na­ti­ven. Je nach Tempe­ra­tur und Höhe kann der Hubschrau­ber maximal 3.800 Kilogramm bewegen. 

Schnel­le Monta­ge dank durch­dach­tem Konzept

Schließ­lich brach­te Liebherr einen 150 EC‑B ins Spiel, weil der Gegen­aus­le­ger mit 3.600 Kilogramm nicht zu schwer für den Hubschrau­ber ist. Zudem kann der Flat-Top Kran dank seines flexi­blen Konzepts mühelos in mehre­re Einzel­tei­le zerlegt werden. Elemen­te wie der Kompakt­kopf, Drehbüh­ne, Kabine und Schalt­schrank lassen sich schnell wieder mitein­an­der verbin­den. Gleich­zei­tig passten Archi­tek­ten und Baufir­ma das Konzept für die Baustel­le so an, dass die zu bewegen­den Lasten die maxima­le Tragfä­hig­keit des Krans in Höhe von acht Tonnen nicht überschrei­ten. Dies gelang unter anderem durch den Einsatz leich­te­rer Betonelemente. 

Während der Monta­ge pausier­te aus Sicher­heits­grün­den die im Jahr 1910 eröff­ne­te Monten­vers-Bahn, weil sich deren Strom­lei­tun­gen in der Nähe befan­den. Die elektri­sche Zahnrad­bahn in Retro-Look verbin­det Chamo­nix-Mont-Blanc und Monten­vers mitein­an­der. Auf mehr als fünf Kilome­tern geht es direkt am Hang steil bergauf und nach etwa 20 Minuten errei­chen Besucher die Endsta­ti­on auf 1.913 Meter Höhe. 

Robus­te Krane für außer­ge­wöhn­li­che Einsätze

Dank einer passen­den Kranaus­wahl, guter Vorbe­rei­tung und eines einge­spiel­ten Teams funktio­nier­te die Monta­ge am Mont-Blanc reibungs­los. Rund acht Stunden dauer­te die außer­ge­wöhn­li­che Monta­ge des 150 EC‑B. In dieser Zeit flog der Kamov KA 32 A11 BC, ein leistungs­fä­hi­ger Schwer­last­he­li­ko­pter von Helis­wiss Inter­na­tio­nal, 30-mal für die Anlie­fe­rung aller Krantei­le und Turmsys­te­me hin und her.

Der Lager­ort wurde dabei so gewählt, dass Lastwa­gen gut anfah­ren konnten und ausrei­chend Fläche zu Verfü­gung stand. Die Wahl fiel auf ein Gebiet in Chamo­nix am Fluss Arvey­ron, etwa 3,5 Kilome­ter von der Bergsta­ti­on Monten­vers entfernt. Die relati­ve kurze Entfer­nung trug dazu bei, die Flugzei­ten und damit die Tankvor­gän­ge möglichst gering zu halten. „Die genaue Vorbe­rei­tung war der Schlüs­sel zu dieser rundum erfolg­rei­chen Monta­ge“, resümiert Guillaume Riband. 

Für Helis­wiss Inter­na­tio­nal und Liebherr ist dies eine weite­re erfolg­rei­che Heliko­pter­mon­ta­ge. 2015 brach­ten sie per Hubschrau­ber einen Flat-Top Kran 150 EC‑B 6 zum Bau der neuen Eibsee-Seilbahn auf die Zugspit­ze. In 2.975 Meter Höhe markier­te dieser Kran damals Deutsch­lands höchs­te Baustel­le. Ganz so hoch hinaus geht es für 150 EC‑B 8 in Frank­reich zwar nicht, aber auch dort werden in den Winter­mo­na­ten Minus­tem­pe­ra­tu­ren im zweistel­li­gen Bereich erwar­tet. Für Liebherr-Turmdreh­kra­ne stellt das kein Problem dar, sie sind auch dafür ausgelegt.