Die Corona-Krise kostet den Staat Milli­ar­den an Steuer­ein­nah­men. Trotz­dem bemüht sich der Vizekanz­ler um Optimis­mus: Im Sommer hatte man schließ­lich noch Schlim­me­res befürch­tet. Was hilft? «Vertrau­en», meint Scholz.

«Aller­dings», sagt Olaf Scholz, «der Blick nach vorne geht in die Sonne». Die Aussich­ten seien gut, dass Deutsch­land mit einem blauen Auge durch die gesund­heit­li­che und wirtschaft­li­che Corona-Krise komme.

Unerschüt­ter­li­cher Optimis­mus auch in schlech­ten Lagen ist ein Marken­zei­chen des SPD-Politi­kers — diesmal ist er unter­legt mit den Progno­sen der Steuer­schät­zer, die am Donners­tag vorge­stellt wurden. Obwohl die Pande­mie das Leben gerade wieder stärker einschränkt, können Bund, Länder und Kommu­nen in den nächs­ten Jahren demnach mit etwas mehr Steuer­ein­nah­men rechnen, als man noch im Spätsom­mer vermu­te­te. Doch wahr bleibt auch: Die Corona-Delle in den Staats­haus­hal­ten ist riesig.

Die nackten Zahlen: Im laufen­den Jahr werden voraus­sicht­lich 10,6 Milli­ar­den Euro mehr in die Kassen kommen als gedacht, im kommen­den Jahr sind es 3,4 Milli­ar­den Euro mehr. Auch 2022 könnte besser laufen als bisher vorhergesagt.

Grund für die verhal­tend positi­ven Progno­sen ist vor allem die wirtschaft­li­che Entwick­lung im Sommer und Spätsom­mer. Viele Unter­neh­men erhol­ten sich schnel­ler als gedacht, das Brutto­in­lands­pro­dukt stürz­te nicht ganz so heftig ab wie befürch­tet. Für 2021 rechnet Wirtschafts­mi­nis­ter Peter Altmai­er (CDU) mit einem Aufschwung — voraus­ge­setzt, eine weite­re Ausbrei­tung des Corona­vi­rus kann verhin­dert werden.

Für den SPD-Kanzler­kan­di­da­ten Scholz hat vor allem eines den Unter­schied gemacht: Vertrau­en. «Die wichtigs­te Botschaft, neben allem anderen, ist das Vertrau­en darin, dass wir gemein­sam durch diese schwie­ri­ge Zeit kommen», sagte er. Bürger und Unter­neh­men glaub­ten daran, dass die Lage wieder besser werde. Deswe­gen hätten sie nicht auf besse­re Zeiten gewar­tet, sondern weiter Geld ausge­ge­ben und inves­tiert, sagte Scholz. Das zeige auch, dass die Konjunk­tur­pro­gram­me der Bundes­re­gie­rung gewirkt hätten.

Doch der Optimis­mus des Vizekanz­lers kann eines nur schlecht übertün­chen: Die Krise mit den milli­ar­den­schwe­ren Hilfs­pa­ke­ten reißt riesi­ge Löcher in die Staats­kas­sen — wahrschein­lich über Jahre. Erstmals seit der Finanz­kri­se 2009 sind die Steuer­ein­nah­men in diesem Jahr im Sinkflug. Die Schät­zer gehen davon aus, dass rund 71 Milli­ar­den Euro weniger reinkom­men als im vergan­ge­nen Jahr — ein Minus von 8,9 Prozent. Auch für 2021 hatten die Exper­ten vor der Pande­mie noch Steuer­ein­nah­men von rund 845 Milli­ar­den Euro erwar­tet — jetzt stehen gerade einmal 776,2 Milli­ar­den in der Progno­se. Scholz wertet das inzwi­schen schon als gute Nachricht.

Der Finanz­mi­nis­ter hat nun also etwas mehr Geld, das er im kommen­den Jahr mit dem Bundes­haus­halt vertei­len könnte. Bisher plant er neue Kredi­te über rund 96 Milli­ar­den Euro aufzu­neh­men, um die Folgen der Krise etwa auf Jobs abzufe­dern. Ob angesichts der Steuer­schät­zung etwas weniger Schul­den nötig sein könnten, ließ er offen. Sein Haushalts­ent­wurf liegt inzwi­schen in der Hand des Parla­ments. Da wolle und könne er sich nicht einmi­schen, sagte Scholz. Zugleich aber machte er klar: Jetzt ganz ohne Neuver­schul­dung zu planen wäre «unver­ant­wort­lich».

Bereits für das laufen­de Jahr hat der Bundes­tag frische Kredi­te von fast 218 Milli­ar­den Euro geneh­migt, vor allem zur Finan­zie­rung der Hilfs­pa­ke­te mit Mehrwert­steu­er­sen­kung, Famili­en­bo­nus und Unter­stüt­zung für stark getrof­fe­ne Unter­neh­men. Das würde Rekord­schul­den bedeu­ten. Doch ob das Geld wirklich komplett gebraucht wird, ist umstrit­ten — auch weil manche Hilfen nicht so abflie­ßen, wie man gedacht hatte. Seriös sei noch nicht zu sagen, «wie viel Geld wir am Ende gebraucht haben werden», sagte Scholz.

Immer wieder betont der Vizekanz­ler derzeit, der Bund habe die finan­zi­el­le Kraft, alles Nötige gegen die Corona-Pande­mie zu tun — und notfalls bei Hilfs­pro­gram­men auch nochmal nachzu­le­gen. Scholz ist notfalls auch bereit, über 2021 hinaus Schul­den aufzu­neh­men. Bundes­kanz­le­rin Angela Merkel (CDU) mahnte aller­dings zuletzt, die im Grund­ge­setz festge­schrie­be­ne Schul­den­brem­se müsse für die zukünf­ti­gen Jahre die Leitschnur bleiben.

Selbst Unions-Haushäl­ter Eckhardt Rehberg (CDU) sieht das aller­dings als «großer Heraus­for­de­rung». «Die Haushalts­la­ge des Bundes bleibt weiter angespannt. Gering­fü­gi­ge Mehrein­nah­men ändern nichts am Gesamt­bild», kommen­tier­te er die Steuer­schät­zung. Die FDP forder­te deshalb, Ausga­ben zu strei­chen. «Statt­des­sen geben Union und SPD das Geld jeder weiter aus, als gäbe es kein Morgen mehr», kriti­sier­te Haushäl­ter Otto Fricke.

Kürzen jedoch will Scholz nicht — eher dafür Wohlha­ben­de stärker in die Pflicht nehmen, ähnlich wie das Linke und Grüne fordern. Die Wirtschaft warnte jedoch genau davor: «Diskus­sio­nen um Steuer­erhö­hun­gen sind Gift in einer Wirtschafts­kri­se», beton­te der Bundes­ver­band der Deutschen Indus­trie noch während Scholz seine Zahlen präsentierte.