TÜBINGEN (dpa/lsw) — Der Grünen-Landes­par­tei­tag in Baden-Württem­berg soll auf Antrag der Basis noch am Samstag darüber entschei­den, ob die Partei ein Ausschluss­ver­fah­ren gegen den Tübin­ger Oberbür­ger­meis­ter Boris Palmer einlei­ten soll. Knapp 20 Grünen-Mitglie­der, auch fünf aus dem Kreis­ver­band Tübin­gen, beantrag­ten, Palmer wegen «rassis­ti­scher Äußerun­gen» aus der Partei auszu­schlie­ßen. In der Begrün­dung heißt es: «Das Maß ist voll.» Palmer hatte zuvor auf Facebook mit Aussa­gen über den frühe­ren Fußball-Natio­nal­spie­ler Dennis Aogo für Aufse­hen gesorgt.

Beim Partei­tag in Stutt­gart wurde damit gerech­net, dass der Antrag, der eigent­lich zu spät gestellt wurde, wegen Dring­lich­keit noch zur Abstim­mung angenom­men wird. Eigent­lich wollten die Südwest-Grünen vor allem über den Koali­ti­ons­ver­trag mit der CDU beraten und abstim­men. Die Landes­par­tei hatte Palmer schon im Mai 2020 den Austritt nahege­legt und ihm ein Ausschluss­ver­fah­ren angedroht. Schon damals hatte Palmer mehrfach mit provo­ka­ti­ven Äußerun­gen für Empörung gesorgt, unter anderem mit einem Satz zum Umgang mit Corona-Patien­ten. «Wir retten in Deutsch­land mögli­cher­wei­se Menschen, die in einem halben Jahr sowie­so tot wären», sagte er in einem Interview.

Aktuell geht um eine Diskus­si­on mit Facebook-Nutzern, bei der Palmer am Freitag ein Aogo zugeschrie­be­nes Zitat aufgriff und kommen­tier­te, offen­sicht­lich ironisch: «Der Aogo ist ein schlim­mer Rassist.» Zur Begrün­dung verwies er auf einen nicht-verifi­zier­ten Facebook-Kommen­tar, in dem ohne jeden Beleg behaup­tet worden war, Aogo habe für sich selbst das N‑Wort benutzt. Mit dem Begriff N‑Wort wird heute eine früher in Deutsch­land gebräuch­li­che rassis­ti­sche Bezeich­nung für Schwar­ze umschrieben.

Grünen-Kanzler­kan­di­da­tin Annale­na Baerbock erklär­te am Samstag­vor­mit­tag: «Die Äußerung von Boris #Palmer ist rassis­tisch und absto­ßend. Sich nachträg­lich auf Ironie zu berufen, macht es nicht ungesche­hen. Das Ganze reiht sich ein in immer neue Provo­ka­tio­nen, die Menschen ausgren­zen und verlet­zen. Boris Palmer hat deshalb unsere politi­sche Unter­stüt­zung verlo­ren. Nach dem erneu­ten Vorfall beraten unsere Landes- und Bundes­gre­mi­en über die entspre­chen­den Konse­quen­zen, inklu­si­ve Ausschlussverfahren.»

Palmer selbst erklär­te am Samstag in einem langen Facebook-State­ment, er habe eine Debat­te mit dem Stilmit­tel der Ironie ins Grotes­ke überzeich­net. «Meine Kritik am Auftritts­ver­bot von Aogo und Lehmann mit Rassis­mus in Verbin­dung zu bringen, ist so absurd, wie Dennis Aogo zu einem “schlim­men Rassis­ten” zu erklä­ren, weil ihm im Inter­net rassis­ti­sche Aussa­gen in den Mund gelegt werden.»