STUTTGART (dpa/lsw) — Sie picken Schafe, fressen Saatgut und verschmut­zen mit Kot Wohnge­bie­te: Der Ärger über Raben und vor allem Krähen ist groß. Doch auch Abwehr­maß­nah­men bergen wieder Proble­me — vor allem für Anwoh­ner betrof­fe­ner Gebiete.

Raben­vö­gel berei­ten in Baden-Württem­berg anhal­tend Proble­me. Schäden an Schafen, am Saatgut und Gemüse oder Beläs­ti­gun­gen durch Lärm und Verschmut­zung listet das Stutt­gar­ter Umwelt­mi­nis­te­ri­um in einer Antwort auf einen Antrag der Landtags-CDU auf. Zwar gebe es Mittel, um die Tiere möglichst zu vertrei­ben. Doch: «Bei allen Vergrä­mungs­maß­nah­men besteht die Gefahr der Aufsplit­te­rung der Kolonien, so dass sich die Tiere großflä­chi­ger vertei­len und jeweils neue, schnell anwach­sen­de Kolonien gründen, wodurch sich die Belas­tun­gen in der Summe noch vergrößern.»

Zuletzt erhoben wurden Zahlen nach Minis­te­ri­ums­an­ga­ben im Jahr 2016. Auf 80.000 bis 90.000 Revie­re brüten­der Raben­krä­hen kam man damals, Tendenz leicht abneh­mend. Hinge­gen waren bei Saatkrä­hen (8500 bis 9500 Brutpaa­re) und Kolkra­ben (560 bis 620 Brutpaa­re) die Bestän­de in den zwölf Jahren zuvor um jeweils mehr als 20 Prozent gewachsen.

Verein­zelt melde­ten Schäfe­rei­be­trie­be Pickschä­den, die mutmaß­lich von Raben­vö­geln verur­sacht wurden. Nachwei­se dafür habe es jedoch nur in Einzel­fäl­len gegeben, erläu­ter­te das Minis­te­ri­um. Gerade «Kolkra­ben-Jungvo­gel­trupps» machten immer wieder Proble­me — vor allem dann, wenn die Schafe einge­zäunt seien. Es gebe aller­dings keine verläss­li­chen Zahlen, wie oft Weide­tie­re durch das Picken verletzt werden und wie schwer diese Verlet­zun­gen sind.

«Die Vorfäl­le haben sich im Laufe der Jahre nicht verän­dert. Es finden nach wie vor Übergrif­fe auf Schafe statt», erklär­te die Geschäfts­füh­re­rin des Landes­schaf­zucht­ver­bands, Anette Wohlf­arth, der Deutschen Presse-Agentur — ohne konkre­te Zahlen zu nennen.

Häufig könne nicht mehr unter­schie­den werden, ob die Pickver­let­zun­gen zum Tod des Tieres geführt haben oder ob sie erst nach dem Tod zugefügt wurden, so das Haus von Umwelt­mi­nis­te­rin Thekla Walker (Grüne). «In den meisten Fällen schei­nen Pickver­let­zun­gen jedoch eine Folge von schon vorher bestehen­den Proble­men bei der Tierhal­tung zu sein.» Als Beispiel nennt das Minis­te­ri­um erkrank­te Tiere.

Auch Vogel­ex­per­te Veit Hennig von der Univer­si­tät Hamburg, der solche Vorfäl­le unter anderem im Auftrag des Landes unter­sucht hat, sagt, es sei die absolu­te Ausnah­me, dass Schafe durch Picken sterben. Raben könnten die Tiere nicht festhal­ten. Und dass ein Hieb tödlich sei, komme so gut wie nicht vor. Die Schafe, oft Lämmer, müssten geschwächt und immobil sein — etwa durch Durch­fall­erkran­kun­gen, Kälte oder Neuge­bo­re­ne, die von ihren Müttern allei­ne gelas­sen werden.

Raben- und Saatkrä­hen verur­sach­ten vor allem in der Landwirt­schaft Schäden, bei der Aussaat, an gepflanz­tem Gemüse und Silage­bal­len. Allein in diesem Jahr habe in mehre­ren Fällen im Land Mais neu ausge­sät werden müssen. «Je nach Witte­rung und alter­na­ti­vem Nahrungs­an­ge­bot kann der Schadens­druck sehr niedrig bis sehr hoch sein», erläu­ter­te das Minis­te­ri­um. «Meist sind die Schäden nur punktu­ell, diese können für den einzel­nen landwirt­schaft­li­chen Betrieb jedoch aus wirtschaft­li­cher Sicht sehr groß sein.»

Geräusch­pe­gel, die von Saatkrä­hen­ko­lo­nien ausge­hen, gelten den Angaben nach als zumut­bar, weil sie jahres­zeit­lich begrenzt auftre­ten. «Ein größe­res Problem stellt die Verschmut­zung mit Saatkrä­hen­kot unter­halb der Nester dar», heißt es in der Antwort. Anders als häufig vermu­tet sei der Kot nach derzei­ti­gem Kennt­nis­stand für die Gesund­heit der Menschen ungefährlich.

Was also tun? «Abwehr­me­cha­nis­men an Schaf­her­den sind mir keine bekannt», teilte Wohlf­arth vom Landes­schaf­zucht­ver­band mit. «Mir ist auch nicht bekannt, dass welche entwi­ckelt werden/wurden.»

Dem Minis­te­ri­um zufol­ge dürfen Raben­krä­hen außer­halb von geschütz­ten Gebie­ten während der Jagdzeit geschos­sen werden. Im Jagdjahr 2019/2020 seien rund 21.000 der Tiere gejagt worden. Das sei nach Rehen, Wildschwei­nen und Füchsen die viert­größ­te Jagdstre­cke aller im Land bejag­ba­ren Arten gewesen. Die deutlich selte­ner vorkom­men­de Saatkrä­he hinge­gen ist geschützt. «Aus fachli­cher Sicht wird keine Veran­las­sung zur Änderung des Schutz­sta­tus der Saatkrä­he gesehen.»

Andere Metho­den der Vergrä­mung können akusti­scher oder optischer Art sein — etwa Lärmma­schi­nen, das Abspie­len von Angst­schrei­en, große Ballons, übers Feld gespann­te Flatter­bän­der, Schein­wer­fer oder Greif­vo­gel­at­trap­pen. So etwas könne aber mitun­ter zu Beschwer­den der Anwoh­ner führen, teilte das Minis­te­ri­um mit.

Seit 2020 sei ein vogel­ver­grä­men­der Wirkstoff für Saatgut in Deutsch­land verbo­ten. Unter­su­chun­gen des Julius Kühn-Insti­tuts nach Ersatz­stof­fen, die sowohl für konven­tio­nel­le als auch ökolo­gi­sche Landwirt­schaft nutzbar wären, hätten noch keinen Durch­bruch erbracht. Um Krähen­fraß an Mais zu verhin­dern, nutzten ökolo­gi­sche Betrie­be ein Pflan­zen­stär­kungs­mit­tel auf Basis von Hopfenextrakt.

Wegen des Problems sich aufspal­ten­der und wachsen­der Popula­tio­nen kommen Vergrä­mungs­maß­nah­men dem Minis­te­ri­um zufol­ge nur in «beson­ders sensi­blen Berei­chen» wie Kranken­häu­sern oder Schulen infra­ge. Gleich­zei­tig müssten attrak­ti­ve Ausweich­ha­bi­ta­te geschaf­fen werden, in denen die Saatkrä­hen­ko­lo­nien dauer­haft gedul­det werden können. Walker verweist zum Beispiel auf Industriegebiete.

Wenn möglich solle aber eine Koexis­tenz angestrebt werden, hieß es. Also ein Neben­ein­an­der von Vogel und Mensch. Damit das gelingt, könnten etwa Berei­che zum Schutz vor Verschmut­zung überdacht werden.