BIBERACH — Jährlich erlei­den über 260.000 Menschen in Deutsch­land einen Schlag­an­fall. Dabei ist jeder Schlag­an­fall­pa­ti­ent ein Notfall, der so schnell wie möglich in einer für die entspre­chen­de Diagnos­tik und Thera­pie spezia­li­sier­ten Klinik behan­delt werden muss. Für die optima­le Versor­gung, beson­ders von schwe­ren Schlag­an­fäl­len, wurde nun in der zerti­fi­zier­ten Regio­na­len Stroke Unit des Biber­acher Zentral­kran­ken­hau­ses mit der mecha­ni­schen Throm­bek­to­mie eine neue Thera­pie­form vor Ort etabliert.

Plötz­lich einset­zen­de Lähmungs­er­schei­nun­gen, Taubheits­ge­füh­le, eine verwa­sche­ne Sprache oder Sehstö­run­gen – das sind Warnzei­chen, die auf einen Schlag­an­fall hinwei­sen können. Nach Angaben der Deutschen Schlag­an­fall-Gesell­schaft (DSG) werden rund 80 Prozent aller Schlag­an­fäl­le durch ein Blutge­rinn­sel, einen sogenann­ten Throm­bus, verur­sacht; oft aus dem Herzen oder aus einer hirnzu­füh­ren­den Arterie im Halsbe­reich. Betrof­fen sind allein in Deutsch­land jährlich über 260.000 Menschen. Auch wenn die Sterb­lich­keits­ra­te hierzu­lan­de in den vergan­ge­nen 20 Jahren deutlich gesun­ken ist, sind Schlag­an­fäl­le nach wie vor die dritt­häu­figs­te Todes­ur­sa­che und der häufigs­te Grund für Behin­de­run­gen und Einschrän­kun­gen bei Erwachsenen. 

Am Biber­acher Klini­kum werden Schlag­an­fall­pa­ti­en­ten bereits seit 2017 in der zerti­fi­zier­ten „Regio­na­len Stroke Unit“ behan­delt. Diese nimmt – wie von der DSG bestä­tigt – einen Spitzen­platz in Bezug auf die Zügig­keit in der Behand­lung ein. Bei der Versor­gung von Schlag­an­fall­pa­ti­en­ten ist dies maßgeb­lich, denn je länger Blutge­fä­ße durch Blutge­rinn­sel verschlos­sen sind und das Gehirn dadurch nicht oder nur unzurei­chend mit Sauer­stoff versorgt werden kann, desto mehr Gehirn­zel­len sterben ab. Es drohen irrepa­ra­ble Schäden wichti­ger Gehirn­re­gio­nen; die Folgen können eine einge­schränk­te Motorik, Sprach­stö­run­gen oder gar der Tod sein. 

Standard­mä­ßig behan­delt wird der Schlag­an­fall mit der sogenann­ten Throm­bo­ly­se, bei der das Gerinn­sel mit Hilfe von gerin­nungs­hem­men­den Medika­men­ten aufge­löst wird. Das Zeitfens­ter für eine solche intra­ve­nö­se Lyse-Behand­lung ist aller­dings begrenzt, der Thera­pie­er­folg bei möglichst kleinen und frischen Gerinn­seln am größten. Noch besse­re Erfolgs­chan­cen, insbe­son­de­re bei schwe­ren Schlag­an­fäl­len, bietet – in der Regel in Kombi­na­ti­on mit der Throm­bo­ly­se – die Throm­bek­to­mie. Bei dieser wird ein Führungs­ka­the­ter, ein dünner Schlauch, von der Leisten­ar­te­rie unter Röntgen­sicht bis zur verstopf­ten Hirnar­te­rie vorge­scho­ben. Unter Zuhil­fe­nah­me eines zweiten Kathe­ters wird dann das Blutge­rinn­sel mit einem zuvor einge­brach­ten feins­ten Maschen­draht­ge­flecht unter Sog heraus­ge­zo­gen. Somit wird der Blutfluss in dieser Hirnar­te­rie wieder­her­ge­stellt und das unter­ver­sorg­te Hirnare­al wieder durch­blu­tet. Gefäß­ver­schlüs­se können so bis in die kleins­ten Veräs­te­lun­gen des Gehirns entfernt werden. 

„Mit der Throm­bek­to­mie kann die spezia­li­sier­te und zerti­fi­zier­te Schlag­an­fall­ver­sor­gung im Landkreis Biber­ach weiter verbes­sert werden. Bislang wurde diese Thera­pie­form in Koope­ra­ti­on mit dem RKU angebo­ten und die Patien­ten bei Bedarf in Ulm weiter­ver­sorgt. Ab sofort wird die Throm­bek­to­mie auch direkt vor Ort in Biber­ach durch­ge­führt. Insbe­son­de­re schwe­re Schlag­an­fäl­le mit großen Gerinn­seln können damit noch rascher und damit noch effek­ti­ver versorgt werden“, erklärt Privat­do­zen­tin Dr. Korne­lia Kreiser, die seit einem Jahr als Chefärz­tin der Neuro­ra­dio­lo­gie und Radio­lo­gie am RKU tätig ist und in dieser Funkti­on auch die radio­lo­gi­sche Abtei­lung im Biber­acher Klini­kum leitet. Möglich wird das Verfah­ren durch die neue bipla­ne Angio­gra­phie­an­la­ge, die mit dem Umzug in den Biber­acher Klinik­neu­bau in Betrieb genom­men wurde. Mit dieser können Blutge­fä­ße zeitgleich in zwei Ebenen darge­stellt werden, weshalb die Orien­tie­rung und Platzie­rung der Kathe­ter inner­halb der kurvi­gen Hirnar­te­ri­en inner­halb weniger Minuten gelingt. Durch­ge­führt wer-den die Eingrif­fe durch spezia­li­sier­te Neuro­ra­dio­lo­gen, die das Verfah­ren, welches in den Leitli­ni­en der DSG veran­kert ist, seit vielen Jahren mit großer Routi­ne praktizieren.

Beson­ders erfreut über die Zusam­men­ar­beit mit den Kolle­gen der Radio­lo­gie und die neuen thera­peu­ti­schen Möglich­kei­ten ist auch Privat­do­zent Dr. Siegfried Kohler, der seit Novem­ber letzten Jahres die Klinik für Neuro­lo­gie chef-ärztlich leitet. „Mit der Regio­na­len Stroke Unit bieten wir die besten Voraus­set­zun­gen, um bei Schlag­an­fäl­len profes­sio­nel­le und vor allem rasche Hilfe zu leisten. Sowohl die Struk­tu­ren in der Abtei­lung, die Kompe­tenz des Perso­nals, die Abläu­fe bei der Versor­gung sowie die techni­sche Ausstat­tung sind spezia­li­siert für eine sofor­ti­ge Diagno­se und eine quali­fi­zier­te, zielge­rich­te­te Thera­pie“, erklärt Dr. Kohler. „Für den Behand­lungs­er­folg entschei­dend ist im ersten Schritt aller­dings auch, wie schnell der Patient die Klinik überhaupt erreicht. Hier sind Angehö­ri­ge, die Patien­ten selbst sowie die Rettungs­dienst­mit­ar­bei­ter gefragt, damit ein Schlag­an­fall auch als solcher erkannt wird und es nicht zu Umwegen über nieder­ge­las­se­ne Ärzte oder Klini­ken kommt, die nicht die volle Bandbrei­te der thera­peu­ti­schen Möglich­kei­ten anbie­ten können. Insofern sind wir in Biber­ach perfekt aufge­stellt und primä­re regio­na­le Anlauf­stel­le für alle Patien­ten mit akutem Schlaganfallverdacht.“

Weiter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen zur zerti­fi­zier­ten Regio­na­len Stroke Unit sowie zum Leistungs­spek­trum der Biber­acher Radio­lo­gie erhal­ten Sie unter www.sana.de/biberach.