BERLIN (dpa) — Mitten in der Corona-Sommer­wel­le blickt die Politik auf die nahen­de kälte­re Jahres­zeit: Welche staat­li­chen Schutz­vor­ga­ben sollen dann parat stehen? Bei einem Instru­ment deutet sich schon ein Konsens an.

Bei den Vorbe­rei­tun­gen für einen wieder ausge­wei­te­ten Corona-Schutz im Herbst zeich­nen sich Regelun­gen zu Masken­pflich­ten ab. «Die Wirksam­keit von Masken für den Einzel­nen in Innen­räu­men ist unstrei­tig», sagte Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­man (FDP) den Zeitun­gen der Funke-Mediengruppe.

«Deswe­gen wird eine Form der Masken­pflicht in Innen­räu­men in unserem Konzept sicher eine Rolle spielen.» Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach, der mit Busch­mann über Neure­ge­lun­gen im Infek­ti­ons­schutz­ge­setz berät, ist grund­sätz­lich für Masken-Vorga­ben. Der SPD-Politi­ker vertei­dig­te seine Empfeh­lung, dass auch jünge­re Menschen eine zweite Auffrisch­imp­fung machen könnten.

«Müssen sehr ernst nehmen, was uns erwartet»

Busch­mann sagte: «Wir müssen sehr ernst nehmen, was uns im Herbst und Winter erwar­tet.» Er sei guter Dinge, «dass wir Ende des Monats ein Konzept haben, das wir dann im August mit den Ländern bespre­chen, und im Septem­ber bringen wir die Änderung des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes durch das Parla­ment.» Der FDP-Politi­ker beton­te: «Wir verlie­ren keine Zeit.» Der Vorschlag werde klare und verständ­li­che Regeln schaf­fen, die «grund­rechts­scho­nend, also verhält­nis­mä­ßig» seien. «Wir sind uns einig in der Koali­ti­on, dass es keinen Lockdown mehr geben wird, keine pauscha­len Schul­schlie­ßun­gen und auch keine Ausgangs­sper­ren.» Das seien «unange­mes­se­ne Instru­men­te im dritten Jahr der Pandemie».

Die zum Frühjahr vor allem auf Drängen der FDP stark zurück­ge­fah­re­nen Corona-Bestim­mun­gen im Infek­ti­ons­schutz­ge­setz laufen am 23. Septem­ber aus. Sie sind die Rechts­grund­la­ge für Schutz­maß­nah­men in den Ländern und definie­ren mögli­che Instru­men­te. Allge­mei­ne Masken­pflich­ten für Veran­stal­tun­gen oder beim Einkau­fen fielen damit Anfang April weg. Bundes­weit gilt noch Masken­pflicht in Fernzü­gen und Flugzeu­gen. Die Länder regeln dies für Busse und Bahnen im Nahver­kehr sowie etwa auch für Arztpra­xen und Klini­ken. Für die kälte­re Jahres­zeit wird nach der Sommer­wel­le ein weite­rer Anstieg der Infek­ti­ons­zah­len erwartet.

«Ampel-Koali­ti­on muss nun Entwurf liefern»

Bayerns Gesund­heits­mi­nis­ter Klaus Holet­schek begrüß­te es, dass Busch­mann die Wirksam­keit von Masken vor allem auch in Innen­räu­men endlich als «unstrei­tig» bezeich­ne. «Zu dieser Erkennt­nis zu kommen, hat lange genug gedau­ert», sagte der CSU-Politi­ker der Deutsche Presse-Agentur. Die Ampel-Koali­ti­on müsse nun einen Entwurf liefern. Für die Länder sei von zentra­ler Bedeu­tung, alle notwen­di­gen Schutz­maß­nah­men schnell, effek­tiv und rechts­si­cher treffen zu können. «Wir müssen weg von diesem Schlaf­wa­gen­kurs», forder­te Holetschek.

Lauter­bach vertei­dig­te angesichts von viel Kritik sein Werben für mehr zweite Auffri­schungs­imp­fun­gen nicht nur bei Älteren ab 60 oder 70 Jahren. Die Sieben-Tage-Inzidenz würde mit Dunkel­zif­fer wohl bei 1500 bis 2000 liegen, schrieb er am Samstag bei Twitter. «Daher ist nicht falsch, wenn ich auch Jünge­ren mit sehr vielen Kontak­ten empfeh­le, nach Rückspra­che mit dem Hausarzt die 4. Impfung zu erwägen. Die 4. Impfung ist besser als die Infektion.»

Lauter­bach rät seit länge­rem zu Ü60-Auffrischimpfungen

Eine zweite Auffrisch­imp­fung mit der meist nötigen vierten Sprit­ze haben nach Minis­te­ri­ums­an­ga­ben inzwi­schen 6,2 Millio­nen Menschen oder 7,5 Prozent der Bevöl­ke­rung bekom­men. Die Ständi­ge Impfkom­mis­si­on (Stiko) empfiehlt einen zweiten «Booster» bislang nur für Über-70-Jähri­ge und einige andere Risiko­grup­pen. Lauter­bach rät schon seit länge­rem zu Auffrisch­imp­fun­gen bereits ab 60 Jahren, dafür hatten sich kürzlich auch EU-Fachbe­hör­den ausgesprochen.

Der CSU-Fachpo­li­ti­ker Stephan Pilsin­ger kriti­sier­te Lauter­bachs Empfeh­lung für Jünge­re. «Eine solche Aussa­ge gegen die Empfeh­lun­gen der fachlich zustän­di­gen Ständi­gen Impfkom­mis­si­on und der Europäi­schen Arznei­mit­tel­be­hör­de ist eine Ohrfei­ge für alle, die an nachvoll­zieh­ba­re evidenz­ba­sier­te Pande­mie­po­li­tik glauben», sagte er dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land. Der FDP-Gesund­heits­exper­te Andrew Ullmann sagte der «Rheini­schen Post»: «Medizi­ni­sche Empfeh­lun­gen aus der Politik heraus sollten sehr zurück­hal­tend erfolgen.»