BERLIN (dpa) — Sein Vorha­ben ist geschei­tert: Bundes­kanz­ler Scholz konnte eine Impfpflicht für Menschen ab 60 Jahren nicht durch­set­zen. Trotz­dem will er noch mehr Bürger von der Impfung überzeugen.

Bundes­kanz­ler Olaf Scholz hat das Schei­tern einer allge­mei­nen Corona-Impfpflicht bedau­ert, sieht aber keine Basis für einen erneu­ten Anlauf.

Die Aussa­ge des Parla­ments sei sehr klar gewesen, sagte der SPD-Politi­ker. «Es gibt im Bundes­tag keine Gesetz­ge­bungs­mehr­heit für eine Impfpflicht. Das ist die Reali­tät, die wir jetzt als Ausgangs­punkt für unser Handeln nehmen müssen.»

«Als Arzt und als Politi­ker gebe ich nie auf»

Zuvor hatten sich Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) und sein bayeri­scher Kolle­ge Klaus Holet­schek (CSU) dafür ausge­spro­chen, einen neuen Anlauf zu einer allge­mei­nen Impfpflicht zu nehmen. Er wolle weiter versu­chen, «bis zum Herbst eine Impfpflicht zu errei­chen, um unnöti­ge Opfer im Herbst zu vermei­den», bekräf­tig­te Lauter­bach in der «Bild»-Zeitung noch einmal. «Als Arzt und als Politi­ker gebe ich nie auf, wenn es um das Leben anderer Menschen geht.»

Im Deutsch­land­funk zeigte sich Lauter­bach am Morgen nicht mehr so zuver­sicht­lich. Man dürfe sich Gesprä­chen nie verweh­ren, sagte er. Aber: «Ich teile die Einschät­zung von Olaf Scholz, dass die Wahrschein­lich­keit, dass wir über Gesprä­che noch irgend­et­was errei­chen werden, sehr gering ist.»

Der Parla­ments­ge­schäfts­füh­rer der Grünen, Till Steffen, sagte im ZDF, wenn, dann sei das aber «nur auf Basis eines Beschlus­ses der Bundes­re­gie­rung» möglich. Den hatte es für die Abstim­mung im Bundes­tag wegen Meinungs­ver­schie­den­hei­ten in der Koali­ti­on nicht gegeben. Die FDP, die auch für den Wegfall der allge­mei­nen Schutz­maß­nah­men gesorgt hatte, hatte eine Freiga­be der Abstim­mung ohne Frakti­ons­dis­zi­plin durch­ge­setzt. Der von Scholz unter­stütz­te Kompro­miss­ent­wurf mehre­rer Abgeord­ne­ter für eine Impfpflicht zunächst ab 60 Jahren war dann klar geschei­tert, alle anderen Anträ­ge ebenso.

Daher ist auch der derzei­ti­ge Chef der Minis­ter­prä­si­den­ten­kon­fe­renz, der Nordrhein-Westfa­le Hendrik Wüst (CDU), skeptisch, dass der Bundes­tag noch einen zweiten Anlauf für eine Impfpflicht unter­nimmt. Er glaube, dass das nicht passiert, sagte Wüst am Abend nach einem Treffen der Länder mit Scholz.

Neuer Anlauf ohnehin zu spät

Auch Sicht des General­se­kre­tärs der Deutschen Immuno­lo­gi­schen Gesell­schaft, Carsten Watzl, käme ein neuer parla­men­ta­ri­scher Anlauf angesichts der dafür nötigen Zeit ohnehin zu spät. «Eine Impfpflicht, die erst im Herbst beschlos­sen würde, hätte kaum einen akuten Effekt auf die dann anste­hen­de Welle, und man müsste wieder mit anderen Maßnah­men gegen­steu­ern», sagte er der «Augsbur­ger Allge­mei­nen» (Freitag). «Das Schlimms­te, was passie­ren konnte, war gar keine Einigung.»

Und nun? «Deutsch­land wird schlecht aufge­stellt sein für den nächs­ten Herbst», prophe­zei­te der Vorsit­zen­de des Weltärz­te­bunds, Frank Ulrich Montgo­me­ry, in dersel­ben Zeitung. Wenn sich nicht noch viele impfen ließen, «werden wir im nächs­ten Herbst und Winter wieder über Lockdown und Kontakt­be­gren­zun­gen reden und streiten».

Scholz versprach: «Wir werden alles dafür tun, dass wir trotz­dem noch mehr Bürge­rin­nen und Bürger davon überzeu­gen, sich impfen zu lassen.» Dafür gelte es nun, sich auf die Handlungs­mög­lich­kei­ten zu konzen­trie­ren, die da seien. Es gebe eine Reihe von Ansät­zen, die disku­tiert worden und Teil der Vorschlä­ge gewesen seien. Dabei gehe es darum, an die Leute heran­zu­kom­men. Hier müsse man schau­en, «ob wir von diesem Teil noch ein bisschen was für die Zukunft nutzen können». Ein Teil der nun nicht reali­sier­ten Ansät­ze im Bundes­tag war unter anderem eine Verpflich­tung zu einer Impfbe­ra­tung gewesen.

Neue Impfkam­pa­gne

Lauter­bach kündig­te einen Tag nach der Abstim­mung im Bundes­tag eine neue Impfkam­pa­gne an. Sie solle sich an bisher ungeimpf­te Menschen richten, die «aber im Prinzip bereit» seien. Man wisse, dass es so eine Gruppe gebe, insbe­son­de­re Menschen mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund, sagte er im Deutsch­land­funk. «Die müssen erreicht werden, da dürfen wir nicht aufge­ben. Da müssen wir übrigens auch kreati­ver werben. Da berei­ten wir gerade etwas vor.» Derzeit ist die Impfkam­pa­gne quasi zum Erlie­gen gekom­men. Im Wochen­durch­schnitt sind es täglich gut 36.000 Impfun­gen — zu Beginn der Kampa­gne waren es teils über eine Milli­on gewesen. Laut Lauter­bach sei zudem eine Anpas­sung des Infek­ti­ons­schutz­ge­set­zes zum Herbst nötig.