RHODOS (dpa) — Ganz Rhodos brennt? Bei weitem nicht. Vieler­orts genie­ßen Touris­ten fernab der Brände völlig normal ihren Urlaub. In den Hotels und Pensio­nen jedoch hagelt es Stornie­run­gen. Wie steht es um die Luftqualität?

Majes­tä­tisch ragt die Akropo­lis von Lindos in den blauen Sommer­him­mel, ganz so, wie sie es seit über 2000 Jahren tut. Den besten Blick auf das antike Wahrzei­chen der Insel Rhodos haben die Touris­ten vom direkt daneben gelege­nen Lindos Beach aus, wo sie sich auch am Mittwoch in der Hitze auf Strand­lie­gen räkeln. Es herrscht «business as usual», es riecht nach Sonnen­creme mit Kokos-Note, die Wellen plätschern an den Strand, Busse fahren die Urlau­ber auf den Hügel zum berühm­ten Alter­tum, die Taver­nen sind gut besucht und die Parkplät­ze voll.

Nur zwei Kilome­ter weiter südlich haben in der Nacht zuvor Feuer­wehr­leu­te gemein­sam mit mehre­ren Tausend Einhei­mi­schen den Badeort Genna­di vorerst vor den Flammen geret­tet. Zwischen­zeit­lich sah es so aus, als würde der Ort abbren­nen: Weil der Wind zu stark und die Flammen zu groß waren, mussten die freiwil­li­gen Helfer die Dächer der Häuser verlas­sen, auf denen sie das Dorf zuvor stunden­lang mit Schläu­chen und Wasser­ei­mern bewaff­net vertei­digt hatten. Schließ­lich ging es nochmal gut, und im Morgen­grau­en konnten dann die Lösch­hub­schrau­ber und ‑flugzeu­ge wieder die Arbeit aufnehmen.

Stornie­run­gen in der Hauptsaison

«Wir wollten wirklich gerne kommen», steht in der SMS aus Deutsch­land, die der 59-jähri­ge Tsabí­kos in einem Café in Rhodos-Stadt über den Tisch reicht. «Aber hier heißt es, dass die Situa­ti­on bei euch sehr schlimm ist, und so haben wir uns schwe­ren Herzens entschie­den, die Flüge zu stornie­ren.» Hilflos zuckt Tsabí­kos mit den Schul­tern. Eines der beiden Häuschen, die er und seine Frau vermie­ten, bleibt nun mitten in der Haupt­sai­son vorüber­ge­hend leer. Es ist längst nicht das einzi­ge: Auf der ganzen Insel, auch hoch im Norden, hagelt es in Hotels und Ferien­un­ter­künf­ten Stornierungen.

Der gebür­ti­ge Rhodier Tsabí­kos, der lange Jahre in Deutsch­land gelebt und gearbei­tet hat, ist wahnsin­nig enttäuscht von den vielen inter­na­tio­na­len Berich­ten, die seine Insel in den vergan­ge­nen Tagen so darge­stellt haben, als brenne sie von Nord nach Süd lichter­loh. «Nimm Lindos als Beispiel, das ja relativ nah an den Brand­her­den liegt», sagt er. «Die Stadt kann gar nicht brennen, weil rundher­um Felsen sind. Überhaupt ist nur der Südos­ten der Insel betrof­fen, der Rest ist völlig sicher, man kriegt von den Bränden gar nichts mit.» Es ist, als würde man die Menschen warnen, nicht nach Stutt­gart zu fahren, weil es im 50 Kilome­ter entfern­ten Heilbronn brennt.

Auch Berich­te vom angeb­li­chen Chaos auf Rhodos nimmt Tsabí­kos sich sehr zu Herzen. «Ich möchte mal sehen, wie man anders­wo binnen drei Stunden 19.000 Menschen evaku­iert — wir haben es geschafft, und es gab nicht einmal Nasen­blu­ten bei irgend­wem, alle wurden in Sicher­heit gebracht», sagt er. Man habe zahllo­se Busse, selbst die Linien­bus­se der Inseln für den Trans­port der Menschen zusam­men­ge­zo­gen, Taxi- und Vanfah­rer seien zur Hilfe geeilt, gratis, versteht sich. Zu den Auffang­punk­ten für die nunmehr obdach­lo­sen Touris­ten hätten Restau­rants und Privat­leu­te sofort Essen, Wasser, Matrat­zen und Decken gebracht — manche nahmen sogar Urlau­ber bei sich zu Hause auf.

Viele Touris­ten bestä­ti­gen die unglaub­li­che Hilfs­be­reit­schaft der Rhodier. «Es war so viel Essen da, wir haben uns gefragt, wer das schaf­fen soll», sagt eine briti­sche Urlau­be­rin lachend. Sie ist noch nicht abgereist, sondern hat sich mit ihrem Mann eine neue Bleibe weiter nördlich gesucht und will noch eine Woche Urlaub machen.

Chaos prangern die Insel­ein­woh­ner ihrer­seits mit Blick auf die Bekämp­fung der Waldbrän­de an. Sie sind wütend, weil die Flammen vergan­ge­ne Woche zwischen­zeit­lich unter Kontrol­le waren, aber nicht vollstän­dig ausge­merzt wurden. Rhodos sei von den Behör­den in Athen vernach­läs­sigt worden, die für die Einsatz­pla­nung verant­wort­lich sind — anstatt dass mehr Flieger geschickt worden wären, um die Brände endgül­tig zu löschen, habe man die Situa­ti­on «laufen lassen», lautet der Vorwurf. Als dann am Samstag beson­ders starker Wind wehte und plötz­lich die Richtung drehte, sei es zu spät gewesen.

Illegal Schnei­sen schlagen

Schwe­re Vorwür­fe gibt es außer­dem an die Forst­be­hör­den — sie verbie­ten den Brand­be­kämp­fern, Bäume zu fällen, um Brand­schnei­sen zu schaf­fen, die das Feuer nicht überwin­den kann. «Sie sagen uns, wenn sie uns erwischen, werden wir angezeigt — das ist doch verrückt!», beschwert sich einer der jungen Helfer. Viele rücken nun nachts im Schutz der Dunkel­heit mit schwe­rem Gerät an, um die überle­bens­wich­ti­gen Schnei­sen illegal zu schlagen.

Am Mittwoch brann­te es im Südos­ten von Rhodos den neunten Tag in Folge. Aufge­ben wollen die Einwoh­ner nicht, im Gegen­teil. Weiter­hin sind Tausen­de im Kampf gegen die Flammen im Einsatz. «Wir schaf­fen das — und dann bauen wir alles wieder auf», verspre­chen sie sich selbst und den Touris­ten immer wieder. Immer­hin haben die Rhodier das schon mit ihrer Akropo­lis in Lindos bewie­sen: Deren Tempel wurde den Geschichts­bü­chern zufol­ge im Jahr 392 v. Chr. von einem Feuer zerstört. Die Menschen bauten ihn wieder auf, und er steht bis heute.

Coper­ni­cus: Rekord-Emissionen

Die bei den Bränden in Griechen­land freige­setz­ten Kohlen­stoff-Emissio­nen sind laut dem EU-Atmosphä­ren­dienst Coper­ni­cus die mit Abstand höchs­ten in dem Land für einen Juli seit dem Beginn syste­ma­ti­scher Beobach­tun­gen 2003. Seit Anfang Juli bis Diens­tag (25.7.) sei schät­zungs­wei­se eine Megaton­ne Kohlen­stoff frei gewor­den, teilte Coper­ni­cus am Mittwoch mit. Damit habe sich der bishe­ri­ge Rekord von Juli 2007 fast verdoppelt.

Die noch immer andau­ern­de Hitze­wel­le am Mittel­meer habe das Feuer­ri­si­ko erhöht und zur hohen Inten­si­tät der Brände beigetra­gen, sagte der Wissen­schaft­ler Mark Parring­ton. Die Brände könnten auch die Luftqua­li­tät beein­träch­ti­gen. Derzeit zögen die Rauch­wol­ken, die auch Feinstaub und andere Schad­stof­fe enthiel­ten, Richtung Süden über das Mittelmeer.

Von Alexia Angelo­pou­lou und Chris­toph Reich­wein, dpa