BERLIN (dpa) — «Nie wieder!», so hat es Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg geschworen. Die angegriffene Ukraine nimmt dies wörtlich. Das macht das Gedenken am Jahrestag des Kriegsendes nicht einfach.
So einen 8. Mai hat es noch nie gegeben: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine überschattet und prägt zugleich das diesjährige Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa durch die deutsche Kapitulation vor 77 Jahren.
Beide Länder sind als einstige sowjetische Brudervölker Opfer und zugleich Besieger des Nationalsozialismus. Doch Russlands Präsident Wladimir Putin versucht, die Erinnerung für seine Expansionsziele zu missbrauchen. Deutschland steht nun vor der Aufgabe, die viel beschworene Verpflichtung des «Nie wieder!» gegenüber den um Leben und Freiheit kämpfenden Ukrainern einzulösen, ohne an diesem wichtigen Gedenktag die Befreierrolle des heutigen Aggressors Russland zu schmälern.
Gedenkveranstaltungen in Berlin
Unter starker Polizeipräsenz aber zunächst ohne Zwischenfälle gedenken seit Sonntagmorgen in Berlin viele Menschen an verschiedenen Gedenkorten an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa vor 77 Jahren. Am Sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park legten im Laufe des Vormittags mehrere hundert Menschen Blumen ab und gedachten an den Denkmälern der Gefallenen. Auch zum Sowjetischen Ehrenmal in Mitte kamen einem Polizeisprecher zufolge bereits am Vormittag zahlreiche Menschen. Manche legten Kränze nieder. Auch hier blieb alles zunächst ruhig, betonte der Polizeisprecher.
Dutzende Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen sind am Sonntag und Montag in Berlin geplant — unter anderen organisiert von der russischen und der ukrainischen Botschaft. Angesichts des Kriegs in der Ukraine ist die Polizei mit einem Großaufgebot im Einsatz, um mögliche Konflikte zu verhindern. Für 15 Gedenkorte hatte die Polizei zuvor Auflagen erlassen, unter anderem ein Verbot von russischen und ukrainischen Fahnen.
Fernsehansprache von Scholz
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) will eine Fernsehansprache halten, die am Abend von mehreren Sendern ausgestrahlt werden soll. Die Bundesregierung sprach vorab von einem besonderen Gedenken zum 8. Mai. Scholz hatte schon kurz nach Beginn des Ukraine-Kriegs am 24. Februar eine TV-Ansprache gehalten.
Bundestagspräsidentin Bärbel Bas wird ihrerseits in Kiew zu den Gedenkveranstaltungen zum Weltkriegsende erwartet. Geplant ist auch ein Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Die SPD-Politikerin — nach dem Bundespräsidenten Deutschlands zweithöchste Repräsentantin — folgt einer Einladung des ukrainischen Parlamentspräsidenten Ruslan Stefantschuk. Im Namen des Bundestags will sie am Grabmal des Unbekannten Soldaten und am Denkmal für die ermordeten ukrainischen Juden in Babyn Jar Kränze niederlegen. Bas und Stefantschuk wollen gemeinsam aller zivilen und militärischen Opfer des Zweiten Weltkriegs gedenken.
Vor ihr war am Dienstag bereits der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz in Kiew gewesen. In den kommenden Tagen ist zudem eine Reise von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) geplant.
Der Vorsitzende der Christdemokraten im EU-Parlament, Manfred Weber (CSU), forderte Scholz zu einer raschen Reise nach Kiew auf. «Am besten gemeinsam mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron», sagte Weber den Zeitungen der Funk