HAMBURG (dpa) — Der Verkauf von Fahrrä­dern boomt — und Radeln statt Autofah­ren gilt als wichti­ger Beitrag zum Klima­schutz. Daher will die Bundes­re­gie­rung Deutsch­land bis 2030 zum «Fahrrad­land» entwickeln.

Für die Förde­rung des Radver­kehrs stehen nach Aussa­ge von Bundes­ver­kehrs­mi­nis­ter Andre­as Scheu­er (CSU) so viele Bundes­mit­tel zur Verfü­gung wie noch nie. «Jetzt müssen die Kommu­nen zugrei­fen, jetzt muss auch das Geld abflie­ßen», sagte Scheu­er bei einem Radver­kehrs­kon­gress in Hamburg.

Er reagier­te damit auf eine Forde­rung des Deutschen Städte- und Gemein­de­bun­des (DStGB) nach mehr Geld. Dessen Haupt­ge­schäfts­füh­rer Gerd Lands­berg schreibt in einer aktua­li­sier­ten Broschü­re zur Radver­kehrs­för­de­rung, ein maßgeb­li­ches Hinder­nis seien die Kommu­nal­fi­nan­zen, die milli­ar­den­schwe­re Inves­ti­ti­ons­rück­stän­de in der Verkehrs­in­fra­struk­tur aufwie­sen. «Hier gilt es, konse­quent gegen­zu­steu­ern, indem die Radver­kehrs­pro­gram­me von Bund und Ländern zuguns­ten eines flächen­de­cken­den Infra­struk­tur­aus­baus aufge­stockt werden.» Auch die Umwelt­or­ga­ni­sa­ti­on BUND weist darauf hin, dass Förder­an­ge­bo­te bisher daran geschei­tert seien, dass Eigen­an­tei­le nicht aufge­bracht werden konnten.

Aus Bundes­mit­teln werden laut Scheu­er bis 2023 knapp 1,5 Milli­ar­den Euro in den Radver­kehr inves­tiert. Die finan­zi­el­le Förde­rung des Radver­kehrs durch Bund, Länder und Kommu­nen solle sich perspek­ti­visch an rund 30 Euro je Person und Jahr orien­tie­ren, heißt es im Plan, doppelt so viel wie 2020. «Natür­lich haben wir Nachhol­be­darf», sagte Scheu­er. Aber der Bund habe darauf reagiert. «Die Forde­rung nach Geld ist okay. Jetzt geht es darum, dass das Geld abfließt, und es ist so viel da wie nie zuvor.»

Lands­berg sagte, viele Kommu­nen förder­ten bereits seit Jahren den Radver­kehr und leiste­ten so einen Beitrag zum Klima­schutz. «Mit den zusätz­li­chen Mitteln für die Radver­kehrs­för­de­rung besteht die Chance, eine Trend­wen­de für den Radver­kehr in allen Kommu­nen zu schaf­fen. Dieses Momen­tum gilt es nun zu nutzen.» Der Vorstand des Allge­mei­nen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), Ludger Koopmann, lobte, dass der Bund nun erstma­lig auch kommu­na­le Radin­fra­struk­tur finan­zie­re. «Bisher schei­ter­te die Umset­zung vieler Radwe­ge-Pläne auch am Geld — damit ist jetzt Schluss.»

Der Plan soll dafür sorgen, dass Fahrrä­der und Autos künftig gleich­be­rech­tigt neben­ein­an­der existie­ren. Zu den Zielen gehören ein Ausbau von Fahrrad­park­plät­zen, Radschnell­we­gen und überhaupt Radwe­gen sowie Maßnah­men für mehr Verkehrs­si­cher­heit, etwa über mehr geschütz­te Fahrstrei­fen. Bis 2030, so das Ziel, sollen Menschen im Schnitt 180 statt bisher 120 Wege per Rad zurücklegen.

Die vom Bund zur Verfü­gung gestell­ten Sonder­zah­lun­gen für den Ausbau der Radin­fra­struk­tur werden nach Scheu­ers Angaben von Ländern und Gemein­den stark nachge­fragt. «Circa 150 Kilome­ter neue Radwe­ge und 1790 neue Fahrrad­stell­plät­ze wurden in den ersten drei Monaten beantragt», sagte der Minis­ter den Zeitun­gen der Funke Medien­grup­pe. «79 Millio­nen Euro Finanz­hil­fen aus dem Sonder­pro­gramm sind dafür schon gebun­den, und die nächs­ten Anträ­ge aus den Ländern werden bereits geprüft.» Unter bereits bewil­lig­ten 144 Maßnah­men seien neben neuen Radwe­gen und Fahrrad­stell­plät­zen auch 17 Radweg­brü­cken bezie­hungs­wei­se Radweg­un­ter­füh­run­gen, hieß es.

Der Umwelt­or­ga­ni­sa­ti­on BUND und dem Verkehrs­club VCD gehen die Pläne aber nicht weit genug. «Klare Ziele und unter­stüt­zen­de Regulie­run­gen, wie die Möglich­keit zur Einfüh­rung einer Citymaut oder von Null-Emissi­ons­zo­nen wurden und werden vom Minis­ter aber immer blockiert», kriti­sier­te BUND-Geschäfts­füh­re­rin Antje von Broock. Ebenso sieht der VCD «sehr gute Ansät­ze, aller­dings fehlt ein klares Bekennt­nis zu Tempo 30 inner­orts». Diese Kritik weist Scheu­er indes zurück: «Es gibt schon jetzt die Möglich­keit mit guter Begrün­dung 30er-Abschnit­te einzurichten.»

Von Thomas Kaufner, dpa