BERLIN (dpa) — Die bisherigen Auslandsreisen von Kanzler Scholz waren eher Routine. Jetzt muss er sich außenpolitisch beweisen. Am Montag ist er im Weißen Haus zu Gast, eine Woche später im Kreml.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) reist am Sonntag zu seinem Antrittsbesuch in die USA, der ganz im Zeichen der Ukraine-Krise stehen dürfte. Am Montag ist ein Treffen mit US-Präsident Joe Biden im Weißen Haus geplant.
Der hatte nach seinem Amtsantritt vor gut einem Jahr einen Neuanfang in den deutsch-amerikanischen Beziehungen nach vier schwierigen Jahren unter seinem Vorgänger Donald Trump beschworen. In der Ukraine-Krise werden nun aber auch in den USA Zweifel laut, ob man im Ernstfall auf Deutschland zählen kann.
Dem Kanzler war in den vergangenen Wochen von osteuropäischen Nato-Partnern aber auch aus den USA vorgeworfen worden, Russland in der Ukraine-Krise zu wenig unter Druck zu setzen. Erst nach langem Zögern legte er die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 als mögliches Sanktionsinstrument auf den Tisch — und das auch nur verdeckt, ohne sie beim Namen zu nennen. Die USA bekämpfen das Pipeline-Projekt seit langem.
Absage an Waffenlieferungen in die Ukraine
Gleichzeitig erteilte Scholz Waffenlieferungen an die Ukraine eine klare Absage, was ihm nun von der Ukraine und östlichen Nato-Bündnispartnern übel genommen wird. Aber auch in den USA gibt es Kritik daran. Der republikanische US-Senator Jim Risch sagte der Deutschen Presse-Agentur in Washington, Deutschland solle «seine Haltung überdenken».
Die USA-Reise ist nun der Start einer diplomatischen Offensive des Kanzlers. Eine Woche nach dem Besuch in Washington reist Scholz erst nach Kiew und dann nach Moskau, um dort Präsident Wladimir Putin zu treffen. Für nächste Woche ist zudem ein Treffen mit den Staats- und Regierungschefs der baltischen Staaten in Berlin geplant. Zudem wollen der französische Präsident Emmanuel Macron und der polnische Präsident Andrzej Duda zu einem Gespräch über die Krise nach Berlin kommen.
CDU-Chef Friedrich Merz warf dem Kanzler vor seiner Abreise in die USA eine zögerliche Außenpolitik vor. «Diese Reise kommt zu spät. Sie wäre schon vor Wochen notwendig gewesen und dann mit einer klaren Botschaft der wichtigsten europäischen Staaten im Gepäck», sagte Merz der «Bild am Sonntag». «Jetzt wirkt die Reise wie der Besuch eines Bittstellers, der aus einer selbst verschuldeten Situation nicht mehr herauskommt und deshalb den großen Bruder in Washington um Hilfe bitten muss.»
Experte: «Diplomatischer Sprint»
Der Sicherheitsexperte Wolfgang Ischinger würdigte dagegen, dass Scholz sich nun in die Reisediplomatie einschaltet. «Ich finde es sehr gut, dass Bundeskanzler Scholz jetzt plötzlich zu einem diplomatischen Sprint ansetzt und innerhalb von zehn Tagen das Terrain durch persönliche Gespräche tatsächlich mal genau absteckt», sagte der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz der dpa. Er fügte aber auch hinzu: «Noch schöner wäre es gewesen, wenn wir das schon vor drei Wochen gewusst hätten. Dann wäre die Kritik vielleicht gar nicht in dem Maße laut geworden.»