BERLIN (dpa) — Seit vergan­ge­nem Jahr können die Nachkom­men von NS-Verfolg­ten den Anspruch auf Staats­bür­ger­schaft leich­ter geltend machen — und tun dies auch.

Ein Jahr nach dem Beschluss des Bundes­ta­ges zur erleich­ter­ten Wieder­gut­ma­chungs­ein­bür­ge­rung haben bereits knapp 2200 Nachkom­men von NS-Verfolg­ten eine solche Einbür­ge­rung beantragt.

Das berich­te­te der Antise­mi­tis­mus­be­auf­trag­te der Bundes­re­gie­rung, Felix Klein, am Samstag­abend in Berlin vor Besuchern eines Konzerts anläss­lich der vierten Änderung des Staats­bür­ger­schafts­ge­set­zes. Es sei ein großer «Vertrau­ens­be­weis für unser Land, wenn die Nachkom­men zwangs­läu­fig emigrier­ter NS-Verfolg­ter das Angebot der Wieder­gut­ma­chungs­ein­bür­ge­rung anneh­men und die deutsche Staats­an­ge­hö­rig­keit erwer­ben wollen».

Der Bundes­tag hatte am 25. Juni 2021 einen gesetz­li­chen Anspruch auf staats­an­ge­hö­rig­keits­recht­li­che Wieder­gut­ma­chung geschaf­fen, der den bishe­ri­gen Kreis der Berech­tig­ten erwei­ter­te. Die Änderung trat am 20. August in Kraft. Sie betrifft vor allem Juden, die zwar nicht förmlich ausge­bür­gert wurden, ihre deutsche Staats­bür­ger­schaft aber dennoch als Folge der rassis­ti­schen, diskri­mi­nie­ren­den Geset­ze von damals verlo­ren, bezie­hungs­wei­se die deutsche Staats­bür­ger­schaft deshalb nicht erwer­ben konnten.

Außer­dem wurde für Betrof­fe­ne der früher gelten­den Regel, dass mit Auslän­dern verhei­ra­te­te Frauen ihre deutsche Staats­an­ge­hö­rig­keit nicht an die Kinder weiter­ge­ben konnten, die Möglich­keit geschaf­fen diese nachträg­lich zu erwer­ben. Laut Klein gaben bislang knapp 4300 Menschen entspre­chen­de Erklä­run­gen zum Erwerb der deutschen Staats­an­ge­hö­rig­keit ab. Klein dankte unter anderem der Grünen-Innen­po­li­ti­ke­rin Filiz Polat, die sich stark für das Zustan­de­kom­men der neuen Regelung einge­setzt habe.

Wer für die Wieder­gut­ma­chungs­ein­bür­ge­rung infra­ge kommt, muss keine deutschen Sprach­kennt­nis­se nachwei­sen und auch einige andere Anfor­de­run­gen, die norma­ler­wei­se bei einer Einbür­ge­rung bestehen, nicht erfül­len. Denn die Behör­den gehen hier davon aus, dass die Betrof­fe­nen ohne eigenes Verschul­den die deutsche Staats­an­ge­hö­rig­keit verlo­ren haben oder sie — wie etwa im Falle der Kinder deutscher Mütter und auslän­di­scher Väter — wegen diskri­mi­nie­ren­der Geset­ze nie erhiel­ten. Aufgrund komple­xer Flucht­bio­gra­fien ist es für die Antrag­stel­ler dennoch oft sehr aufwen­dig, die notwen­di­gen Dokumen­te zu beschaf­fen, überset­zen und beglau­bi­gen zu lassen.