Die Aufar­bei­tung des Debakels um die geschei­ter­te Pkw-Maut geht in eine entschei­den­de Phase. Im Unter­su­chungs­aus­schuss des Bundes­ta­ges treten auf: drei Manager, ein Ex-Staats­se­kre­tär und erstmals der im Kreuz­feu­er stehen­de Minister.

Und so muss sich der Verkehrs­mi­nis­ter heute auf einer anderen Bühne stellen — im Unter­su­chungs­aus­schuss des Bundes­tags, der das Vorge­hen rund um die geplatz­te Maut beleuch­ten soll. Die Opposi­ti­on fährt schwe­re Geschüt­ze gegen den Zeugen Scheu­er auf. Im Fokus stehen die umstrit­te­nen Verträ­ge mit den gekün­dig­ten Maut-Betrei­bern — und die Frage: Hat Scheu­er das Parla­ment belogen?

Der Tag wird auf jeden Fall lang — und könnte einen ersten Showdown bringen. Bevor der Minis­ter womög­lich erst am Abend an die Reihe kommt, tritt eine Riege von Managern an, die eigent­lich mit dem Bund ins Geschäft kommen sollten: Zuerst Volker Schneb­le, Geschäfts­füh­rer der für die Maut gegrün­de­ten Gemein­schafts­fir­ma Autoti­cket. Als nächs­tes dann für deren Gesell­schaf­ter Klaus-Peter Schulen­berg, Chef von CTS Eventim, und Georg Kapsch, Chef der Kapsch Traffic­Com AG. Beide Firmen hatten Ende 2018 den Zuschlag für Erhebung und Kontrol­le der Maut erhalten.

Das zielt auf einen zentra­len Vorwurf der Opposi­ti­on — nämlich dass die weitrei­chen­den Verträ­ge geschlos­sen wurden, ehe Rechts­si­cher­heit bestand. Denn die Maut lag da schon beim Europäi­schen Gerichts­hof (EuGH), der sie im Juni 2019 als rechts­wid­rig stopp­te — wie Kriti­ker es immer wieder vorher­ge­sagt hatten. Scheu­er will auf das Vorge­hen aber weiter nichts kommen lassen: «Ich werde klarstel­len, dass es ein regel­kon­for­mes Verfah­ren war, das juris­tisch beim EuGH geschei­tert ist», hatte er der dpa vor kurzem gesagt. Und überhaupt sei er «konzen­triert und gut vorbereitet».

Der U‑Ausschuss versucht seit Ende 2019 zu klären, ob es bei der Verga­be der Maut und bei der Kündi­gung der Verträ­ge Versäum­nis­se gab. Dabei steht das Urteil der Opposi­ti­on eigent­lich schon fest: Sie fordert Scheu­ers Rücktritt oder Entlas­sung und hält ihm schwe­re Verstö­ße gegen Haushalts- und Verga­be­recht zu Lasten der Steuer­zah­ler vor. Bisher aufge­lau­fe­ne Kosten: 79,3 Millio­nen Euro. Scheu­er weist Vorwür­fe vehement zurück. Vor ihm im Ausschuss befragt werden soll auch sein Ex-Staats­se­kre­tär Gerhard Schulz, der mit der Maut befasst war — inzwi­schen ist er Chef von Toll Collect. Ein Überblick:

DAS MAUT-ERBE UND SEINE FOLGEN

Die Pkw-Maut war ein Presti­ge­ob­jekt der CSU in der vorigen großen Koali­ti­on. Über die politi­schen Hürden brach­te es CSU-Minis­ter Alexan­der Dobrindt, sein Nachfol­ger Scheu­er erbte die prakti­sche Umset­zung. Doch heikler Punkt des Mautmo­dells war, dass inlän­di­sche Autobe­sit­zer im Gegen­zug für ihre Mautzah­lun­gen durch eine gerin­ge­re Kfz-Steuer komplett entlas­tet werden sollten. Das ließ der EuGH aber nicht durch­ge­hen, weil es Autofah­rer aus dem Ausland benachteilige.

Kurz nach dem Total­scha­den vor Gericht kündig­te Scheu­er die Verträ­ge mit Kapsch und CTS Eventim, die für die Maut die Gemein­schafts­fir­ma Autoti­cket gegrün­det hatten. Der Bund nannte neben dem Urteil als Grund auch Mängel in der Leistung der Auftrag­neh­mer — das ist bis heute umstrit­ten. Die Betrei­ber fordern inzwi­schen 560 Millio­nen Euro vom Bund, der das strikt zurück­weist. Ein Schieds­ver­fah­ren läuft.

DIE «GEHEIMTREFFEN»

Im Mittel­punkt der Ausschuss-Sitzung dürften drei «Geheim­tref­fen» Scheu­ers mit Managern der Betrei­ber­fir­men stehen: im Oktober und Novem­ber 2018 sowie nach der Kündi­gung der Verträ­ge im Juni 2019. Am 3. Oktober 2018 ging es etwa um eine Einbe­zie­hung des bundes­ei­ge­nen Lkw-Mautbe­trei­bers Toll Collect in die Erhebung der Pkw-Maut. Die Opposi­ti­on wirft Scheu­er vor, er habe Kosten und Risiken bei Toll Collect verste­cken wollen.

Bei einem Treffen am 29. Novem­ber 2018 sollen die Betrei­ber Scheu­er angebo­ten haben, mit einer Vertrags­un­ter­zeich­nung bis zu einer EuGH-Entschei­dung zu warten. Dies habe Scheu­er abgelehnt, da die Maut noch 2020 einge­führt werden solle, weshalb die Zeit dränge — so geht es aus einem inter­nen Gedächt­nis­pro­to­koll des Geschäfts­füh­rers von Autoti­cket hervor. In Kreisen des Verkehrs­mi­nis­te­ri­ums wird die Glaub­wür­dig­keit bezwei­felt — denn das Proto­koll sei erst im Septem­ber 2020 erstellt worden und der Verfas­ser sei beim Gespräch gar nicht dabei gewesen.

Spannend wird nun sein, ob die Chefs der Betrei­ber­fir­men das Angebot im Ausschuss bestä­ti­gen. Die Opposi­ti­on erinner­te vorab noch einmal an Äußerun­gen Scheu­ers im Bundes­tag am 25. Septem­ber 2019. Auf Fragen von Abgeord­ne­ten sagte er, ein solches Angebot sei «nicht Thema» gewesen.

SCHEUERS RÜCKHALT:

Die SPD hat sich bisher mit Angrif­fen auf Scheu­er zurück­ge­hal­ten. Intern ist aber von einer «roten Linie» die Rede. Die würde dann überschrit­ten, wenn Scheu­er nachweis­lich das Parla­ment belogen habe. In diesen Falle hätte Scheu­er ein Glaub­wür­dig­keits­pro­blem, sagte der Ausschuss­vor­sit­zen­de Udo Schief­ner (SPD) der «Rheini­schen Post». «Das würde sein Amt belas­ten, und das kann zu einem Glaub­wür­dig­keits­pro­blem der Regie­rung werden.»

Kanzle­rin Angela Merkel (CDU) beschei­nig­te ihrem Minis­ter Ende 2019, «dass Andy Scheu­er eine sehr gute Arbeit macht». Vorwür­fe würden alle «sauber abgear­bei­tet im Unter­su­chungs­aus­schuss». Entschei­dend für seinen Rückhalt ist aller­dings die Sicht der CSU-Spitze.

In der CSU wird Scheu­ers politi­sche Zukunft gepal­ten gesehen. Quer durch die Partei gibt es Kritik am Auftre­ten in Sachen Maut — gerade auch mit Blick auf die Bundes­tags­wahl 2021. Entschei­dend für einen Verbleib sei — so heißt es in der CSU — der Nachweis, dass alles recht­mä­ßig abgegan­gen sei. Sollte sich heraus­stel­len, dass Scheu­er den Bundes­tag angelo­gen hat, wäre er nicht mehr zu halten. CSU-Chef Markus Söder hatte aber immer vor vorei­li­gen Verur­tei­lun­gen gewarnt und betont, es müsse zunächst der U‑Ausschuss abgewar­tet werden.