BERLIN (dpa) ‑Die erste Ampel-Regie­rung auf Bundes­ebe­ne steht in den Start­lö­chern. Für die Unter­zeich­nung ihres Koali­ti­ons­ver­trags haben die Partner sich einen symbol­träch­ti­gen Ort ausgesucht.

SPD, Grüne und FDP wollen heute offizi­ell ihr Regie­rungs­pro­gramm besie­geln. Zur Unter­zeich­nung des Koali­ti­ons­ver­trags kommen Spitzen­ver­tre­ter der Ampel-Partei­en am Vormit­tag symbol­träch­tig im Futuri­um zusam­men, einem Berli­ner Zentrum für Ausstel­lun­gen zum Thema Zukunftsgestaltung.

Danach wollen sich der designier­te Bundes­kanz­ler Olaf Scholz (SPD), Grünen-Chef Robert Habeck und der FDP-Vorsit­zen­de Chris­ti­an Lindner in der Bundes­pres­se­kon­fe­renz den Fragen der Medien stellen. Habeck ist in der neuen Bundes­re­gie­rung nicht nur als Wirtschafts- und Klima­schutz­mi­nis­ter vorge­se­hen, sondern auch als Vizekanz­ler. Lindner übernimmt das Amt des Finanzministers.

Minis­ter stehen fest

Nach SPD und FDP hatten gestern auch die Grünen dem 177 Seiten starken Koali­ti­ons­ver­trag zugestimmt, der den Titel «Mehr Fortschritt wagen» trägt. Auch alle Minis­te­rin­nen und Minis­ter sind inzwi­schen benannt. Am Mittwoch soll Scholz im Bundes­tag zum Kanzler gewählt und sein Kabinett verei­digt werden. Damit endet nach 16 Jahren die Ära von Angela Merkel (CDU), die bei der Bundes­tags­wahl am 26. Septem­ber nicht wieder kandi­diert hatte.

In ihrem über Wochen ausge­han­del­ten Koali­ti­ons­ver­trag verspre­chen die Ampel-Partei­en unter anderem große Anstren­gun­gen beim Klima­schutz und einen Umbau der Indus­trie. Zugleich sind Verbes­se­run­gen etwa für Gering­ver­die­ner, Mieter und Famili­en vorge­se­hen. Einige wichti­ge Vorha­ben der ersten Ampel-Koali­ti­on auf Bundesebene:

- Der Mindest­lohn soll rasch von jetzt 9,60 Euro auf 12 Euro steigen.

- Langzeit­ar­beits­lo­se sollen statt Hartz IV künftig das sogenann­te Bürger­geld bekom­men. In den ersten zwei Bezugs­jah­ren fällt dabei die Prüfung des Vermö­gens oder der Wohnung weg. Wer durch das Bürger­geld aufge­fan­gen wird, soll sich vorerst nicht um das Erspar­te und die Wohnsi­tua­ti­on sorgen müssen.

- Eine Kinder­grund­si­che­rung soll vor allem Famili­en mit wenig Geld entlas­ten. Sie soll bishe­ri­ge finan­zi­el­le Unter­stüt­zungs­leis­tun­gen wie das Kinder­geld und Leistun­gen für Kinder in Hartz-IV-Haushal­ten bündeln.

- Jährlich sollen 400.000 neue Wohnun­gen gebaut werden. Die Mietpreis­brem­se für Neuver­mie­tun­gen soll verlän­gert werden. Zudem soll in Gebie­ten mit angespann­tem Wohnungs­markt die Miete binnen drei Jahren in bestehen­den Mietver­hält­nis­sen nur noch bis zu 11 Prozent steigen dürfen statt wie bisher bis zu 15 Prozent.

- Bis 2030 soll Deutsch­land 80 Prozent seines Stroms aus erneu­er­ba­ren Energien beziehen.

- Strom­kun­den sollen entlas­tet werden, indem zum 1. Januar 2023 die Finan­zie­rung der milli­ar­den­schwe­ren EEG-Umlage zur Förde­rung des Ökostroms über den Strom­preis abgeschafft wird.

- Die Ampel-Partei­en wollen den öffent­li­chen Nahver­kehr stärken und dazu vom kommen­den Jahr an die milli­ar­den­schwe­ren sogenann­ten Regio­na­li­sie­rungs­mit­tel erhöhen.

- Die im Grund­ge­setz veran­ker­te Schul­den­brem­se soll ab 2023 wieder einge­hal­ten werden. Im kommen­den Jahr soll die Regel aber wegen der Folgen der Corona-Pande­mie nochmals ausge­setzt werden, wie es für Notsi­tua­tio­nen möglich ist.

- Das Mindest­al­ter für die Teilnah­me an Bundes­tags­wah­len soll von 18 auf 16 Jahre gesenkt werden.

- SPD, Grüne und FDP wollen das Mindest­al­ter zum Erwerb eines Pkw-Führer­scheins senken und beglei­te­tes Fahren bereits ab 16 statt wie bisher mit 17 Jahren ermöglichen.

- Canna­bis soll für Erwach­se­ne künftig zu Genuss­zwe­cken in lizen­zier­ten Geschäf­ten erhält­lich sein.

- Das umstrit­te­ne Werbe­ver­bot für Schwan­ger­schafts­ab­brü­che (Paragraf 219a des Straf­ge­setz­bu­ches) soll abgeschafft werden. «Ärztin­nen und Ärzte sollen öffent­li­che Infor­ma­tio­nen über Schwan­ger­schafts­ab­brü­che bereit­stel­len können, ohne eine Straf­ver­fol­gung befürch­ten zu müssen.»