STUTTGART (dpa/lsw) — SPD-Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch hält es für unverantwortlich, dass das Kultusministerium auf dem Höhepunkt der Corona-Krise quasi führungslos ist. «Es kann nicht sein, dass das Kultusministerium für zwei Monate zum Geisterschiff wird», sagte Stoch am Freitag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Ministerin Susanne Eisenmann sei nach ihrem Scheitern als CDU-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl eigentlich von Bord gegangen. Es sei der «Gipfel der Verantwortungslosigkeit», in diesen für die Schulen dramatischen Zeiten, 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler und 120 000 Beschäftigte sich selbst zu überlassen.
Die Pandemie und ihre Folgen machten «Notfallmaßnahmen» im Bildungsbereich nötig, sagte der frühere Kultusminister. «Man müsste im Kultusministerium eigentlich arbeiten wie bei einer Naturkatastrophe.» Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) müsse dringend sicherstellen, dass wieder Schwung in das Ministerium komme. «Kretschmann soll in Gottes Namen dafür sorgen, dass dieses Schiff auch in dieser Zeit der Regierungsbildung manövrierfähig bleibt», forderte der SPD-Politiker.
Es sei absehbar, dass ein Großteil der Schülerinnen und Schüler von kommender Woche an wieder von zu Hause aus lernen müsse, weil die meisten Kreise die Inzidenz von 165 reißen. Die Landesregierung müsse dringend überlegen, welche Unterstützung Kinder und Jugendliche brauchen, die Probleme mit dem Home-Schooling haben.
Zudem sei es höchste Zeit, jetzt die Weichen dafür zu stellen, dass im kommenden Schuljahr die Folgen der Corona-Krise aufgearbeitet werden könnten — sowohl schulisch als auch psychisch und sozial. «Da muss man jetzt rekrutieren.» Es gelte ein Assistenzsystem aufzubauen. Man brauche im kommenden Schuljahr etwa zwei Assistenten pro Schule, also etwa 10 000 Hilfskräfte. Das könnten Lehramtsstudierende, Referendare oder andere pädagogisch Ausgebildete sein.
Stoch warnte Grüne und CDU davor, bei ihren Koalitionsverhandlungen über Bildung nur ans Sparen zu denken. Der neuen Koalition müsse es in den kommenden fünf Jahren unbedingt gelingen, die Schulen personell besser auszustatten und technisch zu modernisieren. «Wenn der Grundsatz weiter heißt «es darf nichts kosten», dann läuft das Schiff ziemlich sicher auf ein Riff auf.»