Wie geht es weiter mit dem Tübin­ger Modell­pro­jekt und — geht es überhaupt weiter? Die Infek­ti­ons­zah­len gehen auch in der Stadt stabil nach oben. Hab-Acht-Stimmung macht sich breit.

STUTTGART (dpa/lsw) — Angesichts stetig steigen­der Infek­ti­ons­zah­len ist eine Fortset­zung des Tübin­ger Corona-Modell­pro­jekts bis Mitte April offen. «Sollte Tübin­gen weiter­hin steigen­de Inziden­zen haben und stabil auf die 100 zugehen bezie­hungs­wei­se diese Marke pro 100 000 Einwoh­ner sogar überschrei­ten, muss geprüft werden, inwie­weit das Projekt ausge­setzt werden muss», teilte ein Sprecher des Gesund­heits­mi­nis­te­ri­ums am Mittwoch in Stutt­gart mit. Vor diesem Hinter­grund und auch aufgrund der steigen­den Infek­ti­ons­zah­len mitten in der dritten Pande­mie­wel­le denke das Minis­te­ri­um momen­tan auch nicht an die Auswei­sung weite­rer Modell­pro­jek­te. Der Inzidenz­wert in der Stadt Tübin­gen lag am Diens­tag bei 78,7, landes­weit bei 125,7.

Am 26. März hatte das Land dem Antrag zugestimmt, den Tübin­ger Modell­ver­such bis zum 18. April zu verlän­gern und die Ticket­aus­ga­be an Auswär­ti­ge zu begren­zen und über Ostern auszu­set­zen. Zu diesem Zeitpunkt lag der Inzidenz­wert in der Stadt Tübin­gen bei 42,6. Zum Vergleich: Der Wert betrug am 18. März noch 19,7. Seit dem 16. März können sich Menschen in Tübin­gen an mehre­ren Statio­nen kosten­los testen lassen, mit der Beschei­ni­gung des negati­ven Ergeb­nis­ses können sie dann in Läden, zum Friseur oder auch in Theater und Museen.

Die Tübin­ger Pande­mie­be­auf­trag­te Lisa Feder­le sagt: «Die Entwick­lung, die das jetzt einge­nom­men hat, habe ich mir nicht als Teststra­te­gie vorge­stellt.» Sie zielt damit auf die «Invasi­on von Touris­ten» ab, die die Stadt seit Einfüh­rung des Modell­pro­jekts «Öffnen mit Sicher­heit» überlau­fen. «Wir kriegen das Touris­mus-Problem nicht in den Griff.» Selbst wenn das Projekt abgebro­chen oder ausge­setzt werden sollte, sieht Feder­le darin kein Schei­tern. «Meine Inten­ti­on war es, den Menschen einen anderen Weg aufzu­zei­gen. Ich bin mir sicher, dass es bundes­weit eine Teststra­te­gie geben wird, damit wir nicht in die nächs­te Welle unvor­be­rei­tet hineinrauschen».

Tübin­gens Oberbür­ger­meis­ter Boris Palmer (Grüne) zog am Mittwoch wegen des großen Zustroms auswär­ti­ger Gäste in seine Stadt und steigen­der Corona-Zahlen erneut die Reißlei­ne: Menschen, die nicht im Landkreis Tübin­gen wohnen oder in der Stadt Tübin­gen arbei­ten, erhal­ten bereits ab Donners­tag (1. April) keine Tages­ti­ckets mehr an den Teststa­tio­nen. Die Regelung gilt aber nur bis Oster­mon­tag. Ursprüng­lich sollte die Oster­re­ge­lung des Modell­pro­jekts «Öffnen mit Sicher­heit» ab Karfrei­tag gelten. «Es kommen momen­tan einfach zu viele Perso­nen von auswärts in die Stadt», sagte Palmer. Dadurch verlie­re der Modell­ver­such an Aussagekraft.

Modell­pro­jek­te wie in Tübin­gen sollten nach Auskunft des Berli­ner Virolo­gen Chris­ti­an Drosten eine gute wissen­schaft­li­che Beglei­tung haben. Das Ziel, Menschen zu motivie­ren sich testen zu lassen und etwa einkau­fen zu gehen, sei vorerst gut. Das sollte man punktu­ell durch­aus mal auspro­bie­ren. Wichtig seien aber auch Abbruch­kri­te­ri­en und eine Vergleichs­stadt ohne Modellprojekt.

SPD-Gesund­heits­exper­te Karl Lauter­bach hatte am Vortag einen Stopp solcher Versu­che wie in Tübin­gen gefor­dert. «Sie geben das falsche Signal», schrieb Lauter­bach am Diens­tag auf Twitter. Das Tübin­ger Projekt zeige, dass unsys­te­ma­ti­sches Testen mit Öffnungs­stra­te­gien die schwe­re dritte Corona-Welle nicht aufhal­ten werde. ««Testen statt Lockdown» ist Wunsch­den­ken, genau wie «Abneh­men durch Essen».»