Baden-Württem­bergs Kultus­mi­nis­te­rin Susan­ne Eisen­mann setzt sich für eine schnel­le Öffnung von Schulen ein — und erntet dafür nicht nur von der Opposi­ti­on und Verbän­den Kritik. Auch ein langjäh­ri­ger Partei­freund reagiert ungehalten.

Der Richtungs­streit um eine womög­lich schnel­le­re Öffnung von Schulen in Baden-Württem­berg nimmt an Schär­fe zu. Die SPD warf Kultus­mi­nis­te­rin Susan­ne Eisen­mann (CDU) in diesem Zusam­men­hang am Wochen­en­de ein kommu­ni­ka­ti­ves und organi­sa­to­ri­sches Versa­gen bei der Bewäl­ti­gung der Corona-Krise im Bildungs­be­reich vor. Landes­par­tei­chef Andre­as Stoch verwies dabei auf Äußerun­gen mehre­rer Gewerk­schafts- und Verbands­ver­tre­ter bei einer virtu­el­len Bildungs­kon­fe­renz, bei der es am Freitag­abend auf SPD-Einla­dung um die besten Lösun­gen im Bildungs­be­reich in den kommen­den Wochen ging.

Stoch sagte der Deutschen Presse-Agentur, die meisten Teilneh­mer hätten allein schon eine Dankbar­keit zum Ausdruck gebracht, überhaupt in einem solchen Format angehört worden zu sein, denn bisher sei vom Kultus­mi­nis­te­ri­um kein solcher runder Tisch initi­iert worden. Statt­des­sen würden «obrig­keit­lich» Regelun­gen aufge­stellt, Platz für Lösun­gen in gemein­sa­mer Abstim­mung sei nicht, kommen­tier­te Stoch.

Viele Teilneh­mer hätten geklagt, nicht in Entschei­dun­gen über Schul­schlie­ßun­gen, Notbe­treu­ungs­an­ge­bo­te oder Öffnungs­per­spek­ti­ven einge­bun­den zu sein. «Das lässt mich fassungs­los zurück. Das kleine Krisen-Einmal­eins ist aus meiner Sicht, dass ich die Betei­lig­ten an einen Tisch hole und wir gemein­sam nach Lösun­gen suchen. Und seit einem Dreivier­tel­jahr warten die drauf — und das Kultus­mi­nis­te­ri­um tut das nicht», sagte Stoch, von 2013 bis 2016 selbst Kultus­mi­nis­ter und nun SPD-Spitzen­kan­di­dat für die Landtags­wahl am 14. März.

Das Kultus­mi­nis­te­ri­um wies den Vorwurf, Gewerk­schafts- und Verbands­ver­tre­ter kommu­ni­ka­tiv nicht einzu­bin­den, zurück. «Die Behaup­tun­gen sind nichts weite­res als ein billi­ges Wahlkampf­ma­nö­ver ohne jegli­che Substanz. Die SPD behaup­tet bewusst die Unwahr­heit», teilte eine Eisen­mann-Spreche­rin mit. Das Minis­te­ri­um pflege seit Beginn der Corona-Pande­mie mit allen am Bildungs­we­sen betei­lig­ten Inter­es­sen­grup­pen «einen offenen Austausch». Es fänden auch regel­mä­ßig Gesprächs­run­den statt, «um eine trans­pa­ren­te und möglichst frühe Kommu­ni­ka­ti­on mit allen Betei­lig­ten zu ermöglichen».

Nach SPD-Angaben betei­lig­ten sich an der virtu­el­len Konfe­renz neben der Gewerk­schaft Erzie­hung und Wissen­schaft und dem Verband Bildung und Erzie­hung auch Landes­el­tern- und Landes­schü­ler­bei­rä­te, der Grund­schul­ver­band, der Verein für Gemein­schafts­schu­len sowie Vertre­ter von Schul­lei­tern, Kommu­nen und Schulpsychologen.

Bund und Länder hatten sich zuletzt darauf verstän­digt, den Lockdown zur Eindäm­mung der Corona-Pande­mie bis zum 14. Febru­ar zu verlän­gern, in der Zwischen­zeit gibt es an Schulen und auch an Kitas teils nur Notbe­treu­ungs­an­ge­bo­te. Baden-Württem­bergs grün-schwar­ze Landes­re­gie­rung plant jedoch vor allem auf Druck der von Eisen­mann in den Landtags­wahl­kampf geführ­ten CDU eine schritt­wei­se Öffnung von Grund­schu­len und Kitas schon ab dem 1. Febru­ar, sofern die Infek­ti­ons­zah­len das dann zulassen.

Eisen­mann argumen­tiert, es müsse beach­tet werden, welche langfris­ti­gen Schäden die fortge­setz­te Schlie­ßung dieser Einrich­tun­gen nach sich ziehe. Beim CDU-Landes­par­tei­tag sagte sie am Samstag in Stutt­gart, man müsse nun einen gründ­li­che­ren Blick auf die Kinder nehmen als noch im Lockdown im Frühjahr. Sie sei überrascht, mit welcher Lässig­keit und mangeln­den Sensi­bi­li­tät «alles Gesell­schaft­li­che über einen Kamm geschert» werde. Bildung und Betreu­ung brauche einen beson­de­ren Stellen­wert in der Debatte.

Doch Eisen­manns Vorge­hen ist auch in der CDU nicht unumstrit­ten. Aus Ärger über die Kultus­mi­nis­te­rin trat der frühe­re Minis­te­ri­al­di­ri­gent und ehema­li­ge Regie­rungs­spre­cher Baden-Württem­bergs, Hans Georg Koch, nun nach über 40 Jahren aus der CDU aus. In einem Leser­brief in der «Frank­fur­ter Allge­mei­nen Zeitung» erklärt der Vertrau­te des frühe­ren Minis­ter­prä­si­den­ten Erwin Teufel (1991–2005) seinen Rückzug: «Zum ersten, weil die Spitzen­kan­di­da­tin der CDU seit Wochen versucht, aus der Corona-Krise politi­sches Kapital zu schla­gen; zum zweiten, weil es offen­sicht­lich nieman­den in der CDU Baden-Württem­berg gibt, der (oder die) auch nur den Versuch macht, sie zu bremsen.»

Eisen­mann wider­sprach Vorwür­fen, sie sei aus wahlkampf­tak­ti­schen Gründen für frühe­re Schul­öff­nun­gen. Sie werbe seit Monaten voller Überzeu­gung für eine solche Politik und «nicht, weil Wahlkampf» sei.

Stoch sagte, die Teilneh­mer seiner Konfe­renz hätten angesichts nur langsam sinken­der Infek­ti­ons­zah­len dafür plädiert, die Schulen erst nach den Faschings­fe­ri­en ab dem 22. Febru­ar nach und nach wieder zu öffnen — je nach Infek­ti­ons­la­ge und Schul­sys­tem dann am besten in einem Wechsel­mo­dell, bei dem immer nur die Hälfte einer Klasse auch in der Schule präsent ist. Eine Öffnung von Bildungs­stät­ten schon vom 1. Febru­ar an sei aus Sicht der von ihm initi­ier­ten Runde zu früh.

Allge­mei­ner Streit herrscht nicht nur über den Zeitpunkt von Schul­öff­nun­gen, sondern auch über das Modell. So hatten Baden-Württem­bergs Städte und Gemein­den zuletzt für eine baldi­ge Öffnung der Grund­schu­len ohne Wechsel­be­trieb gewor­ben. Wechsel­be­trieb mit paral­le­ler Notbe­treu­ung würde «für große Verwir­rung sorgen (und) einen maxima­len Organi­sa­ti­ons­auf­wand verur­sa­chen», hieß es.