FRANKFURT/MAIN (dpa) — Früher zogen die Großstäd­te Menschen in Scharen an. Doch in den vergan­ge­nen Jahren hat ein Trend zum Leben im Umland einge­setzt, der sich einer neuen Analy­se noch verstärkt hat. Forscher sehen darin einen mittel­fris­ti­gen Trend.

Die Metro­po­len in Deutsch­land verlie­ren laut einer Studie zuneh­mend Menschen an das Umland. Profi­tier­ten die Großstäd­te einst von einem Zustrom, hat sich der Trend zur Stadt­flucht in den vergan­ge­nen Jahren verstärkt. Das zeigt eine Auswer­tung der Daten­ana­ly­se­fir­ma Empiri­ca Regio für Berlin, Hamburg, München, Köln, Frank­furt, Düssel­dorf und Stuttgart.

Wander­ten im Jahr 2018 unterm Strich mehr als 47.000 Menschen aus den sieben größten deutschen Städte in direkt angren­zen­de Landkrei­se oder kreis­freie Städte ab, waren es 2021 rund 56.600, zeigt die Studie, die der Nachrich­ten­agen­tur dpa vorliegt. Beson­ders aus Berlin (17.249), Hamburg (11.145), Köln (7894) und Frank­furt (6653) zog es demnach im Saldo viele Menschen ins Umland.

Zwischen den Jahren 2010 und 2013 waren die Metro­po­len laut Empiri­ca Regio noch stark gewach­sen. Doch seit 2018 habe sich der Trend zur Abwan­de­rung ins Umland verstärkt, so die Studie, für die Empiri­ca Regio Daten des Statis­ti­schen Bundes­amts analy­siert hat. Haupt­grund: Es gebe in den Metro­po­len zu wenig bezahl­ba­ren Wohnraum.

Immer mehr Menschen seien bereit, länge­re Fahrzei­ten in die Städte auf sich zu nehmen — auch Landkrei­se in einer Entfer­nung von einer Stunde und mehr profi­tier­ten davon, sagte Jan Grade, Geschäfts­füh­rer von Empiri­ca Regio. Für Metro­po­len habe das Folgen. «Insbe­son­de­re die Abwan­de­rung von Famili­en muss den Städten Sorgen berei­ten, da diese finan­zi­ell meist gut aufge­stellt sind und eine Stadt beleben.»

Den Umland­ge­mein­den wieder­um bringe die Stadt­flucht neben Chancen auch «Wachs­tums­schmer­zen», sagte Grade: Immer mehr Verkehr und Bedarf an Bauland. Zudem müssten sie das Angebot an Kitas und Schulen stärken sowie den ÖPNV und die Energie­ver­sor­gung ausbau­en. In teuren Städten wie Frank­furt und München ziehe es Zuwan­de­rer aus dem übrigen Bundes­ge­biet oft nicht mehr ins Zentrum, sondern direkt ins Umland.

Schon im Zuge der Corona-Pande­mie haben viele Menschen mit dem Wunsch nach mehr Abstand die Städte ins Umland verlas­sen. Doch die Pande­mie sei nur ein Trend­ver­stär­ker und nicht einzi­ge Ursache, meint Grade.

Die Wande­run­gen bedeu­ten aber nicht, dass alle Metro­po­len zwingend schrump­fen. Zum einen hängt das auch von der Zahl der Todes­fäl­le und Gebur­ten inner­halb der Städte ab. Und zum anderen gewin­nen viele Metro­po­len unterm Strich Einwoh­ner aus dem übrigen Bundes­ge­biet oder aus dem Ausland. Bei der inter­na­tio­na­len Zuwan­de­rung etwa liegen Empiri­ca Regio zufol­ge Berlin (25.482) und Hamburg (9255) vorne.

In Berlin etwa führte das dazu, dass die Haupt­stadt 2021 unterm Strich weiter wuchs, obwohl viele Menschen ins Umland abwan­der­ten. «Gerade Berlin hat viel Strahl­kraft und ist als Arbeits­markt attrak­tiv», sagt Grade. Und in Hamburg milder­te die Zuwan­de­rung aus dem Ausland die Verlus­te an den Speck­gür­tel stark ab.

Die Zuwan­de­rung aus dem Ausland hatte lange Zeit das Wachs­tum der Großstäd­te gespeist. Doch seit dem Jahr 2015 — dem Höhepunkt der Flücht­lings­kri­se und auch der Zuwan­de­rung aus dem EU-Ausland — lasse die inter­na­tio­na­le Migra­ti­on nach. Mit der Corona-Pande­mie 2020 und zeitwei­se geschlos­se­nen Grenzen brach dann die inter­na­tio­na­le Zuwan­de­rung ein. Diese hat sich laut Empiri­ca Regio im vergan­ge­nen Jahr erholt, aber nicht mehr das Vorkri­sen­ni­veau erreicht. Im laufen­den Jahr könnte sich das ändern: Mit den Kriegs­flücht­lin­gen aus der Ukrai­ne erwar­tet Grade einen «Bevöl­ke­rungs­schub» in Deutschland.