BERLIN/MÜNCHEN (dpa) — Weil ihr bishe­ri­ger Versor­ger die Abschlä­ge massiv angeho­ben hat, suchen manche Gas-Kunden einen anderen Anbie­ter. Wer nicht zum Grund­ver­sor­ger vor der eigenen Haustür will, hat teils schlech­te Karten.

Wer angesichts rasant gestie­ge­ner Gasrech­nun­gen seinen Energie­an­bie­ter wechseln will, könnte bei Versor­gern außer­halb der eigenen Region vor verschlos­se­ner Tür stehen. Derzeit könnten mehre­re Stadt­wer­ke bereits keine Neukun­den mehr aufneh­men oder ließen Verträ­ge mit Kunden, die nicht in ihrem Versor­gungs­ge­biet wohnen, auslau­fen, erklär­te ein Sprecher des Verban­des kommu­na­ler Unter­neh­men (VKU) auf dpa-Anfra­ge. «Das gilt für die Gasver­sor­gung außer­halb der Grundversorgung.»

Inner­halb der Grund­ver­sor­gung sei dagegen eine Beschrän­kung auf Bestands­kun­den und eine Ableh­nung von Neukun­den gesetz­lich nicht möglich. Als Grund­ver­sor­ger gilt nach dem Energie­wirt­schafts­ge­setz jeweils das Energie­un­ter­neh­men, das in einer Region die meisten Haushalts­kun­den mit Strom bezie­hungs­wei­se Gas belie­fert. In vielen Fällen handelt es sich um die örtli­chen Stadt­wer­ke oder Flächennetzbetreiber.

Kommu­nal- und Energie­ver­bän­de hatten zuletzt in einem gemein­sa­men Appell auf die durch die Energie­kri­se verur­sach­ten Proble­me der Versor­ger bereits hinge­wie­sen und staat­li­che Unter­stüt­zung für die Unter­neh­men gefor­dert. Da sich die Situa­ti­on weiter zuspit­ze, brauche es Stabi­li­sie­rungs­maß­nah­men für Stadt­wer­ke und weite­re regio­na­le Energie­ver­sor­ger, die in allen Bundes­län­dern zugäng­lich sind und im Ernst­fall Hilfen anbie­ten, hieß es in einem Brief an die Ministerpräsidenten.

Stadt­wer­ke konzen­trie­ren sich auf Bestandskunden

In dem Schrei­ben hatten die Spitzen­ver­bän­de auch auf den Kunden­zu­strom verwie­sen, der dazu führe, dass die Grund­ver­sor­ger ungeplant mehr Energie beschaf­fen müssten — trotz des extre­men Preis­ni­veaus. «So nachvoll­zieh­bar die Idee vieler Menschen ist, sich aus Sorge vor den steigen­den Preisen in die Grund­ver­sor­gung fallen zu lassen, so schwie­rig ist dieses Unter­fan­gen für die Stadt­wer­ke», erklär­te der VKU-Sprecher dazu.

So seien nicht nur die Beschaf­fungs­prei­se stark gestie­gen, auch der Zwischen­fi­nan­zie­rungs­auf­wand steige — also die Summe, mit der Stadt­wer­ke die Zeit vom Einkauf bis zum Weiter­kauf an ihre Kunden und bis zur Erhöhung der Abschlä­ge überbrü­cken müssten. «Beides zusam­men erhöht den Liqui­di­täts­be­darf der Stadt­wer­ke. Das beein­träch­tigt wieder­um die Möglich­keit, Kunden­an­fra­gen nach Strom und Gas zu bedie­nen», erklär­te der Sprecher. Denn die Vor- und Zwischen­fi­nan­zie­rungs­last erhöhe sich mit den zu beschaf­fen­den Gasmen­gen. Die Folge sei, dass sich immer mehr Stadt­wer­ke auf die Versor­gung ihrer Bestands­kun­den konzen­trier­ten. «Sie schrän­ken das Neukun­den­ge­schäft ein, und auch Anschluss­ver­trä­ge stehen in Frage.»

Auch wenn Kunden ihre Rechnung nicht mehr zahlen könnten, habe das Folgen für die Versor­ger: «Zahlungs­aus­fäl­le von mehr als zehn Prozent können das Eigen­ka­pi­tal der Stadt­wer­ke aufzeh­ren und sie in Liqui­di­täts­nö­te bringen.»

Neukun­den müssen sich auf höhere Preise einstellen

Auch der in München ansäs­si­ge Stadt­wer­ke­ver­bund Thüga sprach von einer unerwar­tet großen Anzahl an Neukun­den, die von Discoun­tan­bie­tern im Rahmen der «Ersatz­ver­sor­gung» aufge­nom­men werden müssten. «Sicher ist, dass kein Kunde von einem Grund­ver­sor­ger abgewie­sen wird, sondern die Stadt­wer­ke und kommu­na­len Versor­ger ihren gesetz­li­chen Auftrag erfül­len und auch in Krisen­zei­ten die Energie­kun­din­nen und ‑kunden sicher und zuver­läs­sig versor­gen», erklär­te ein Thüga-Sprecher. Aller­dings müssten sich vor allem Neukun­den auf höhere Preise einstel­len. Derzeit liefen immer mehr der langfris­tig ausge­han­del­ten und im Vergleich zu aktuel­len Bedin­gun­gen noch relativ günsti­gen Bezugs­ver­trä­ge für Erdgas aus — und neue Verträ­ge hätten zu wesent­lich höheren Preisen abgeschlos­sen werden müssen. «Dies führt insbe­son­de­re bei Verträ­gen für Neukun­den zu höheren Preisen.»

Der Verbrau­cher­zen­tra­le Bundes­ver­band hatte zuletzt zwar über eine Verviel­fa­chung der Beratungs­zah­len von Gas- und Strom­kun­den berich­tet. Spezi­el­le Schwie­rig­kei­ten bei einem Anbie­ter­wech­sel seien aber derzeit kein Thema in den Beratungs­ge­sprä­chen, sagte eine Sprecherin.

Ein Sprecher des Vergleichs­por­tals Verivox erklär­te, die Einschrän­kun­gen beim Neukun­den­ge­schäft seien schon seit Beginn der Energie­kri­se nicht nur ein Thema von Stadt­wer­ken, sondern auch anderen Anbie­tern. «Wir sehen schon, dass der Wettbe­werb dadurch einge­schränkt ist», sagte der Sprecher. Angesichts der extre­men Preis­un­ter­schie­de nutzten derzeit viele Menschen das Portal, um sich über die Preise der Anbie­ter zu informieren.

Von Chris­ti­ne Schult­ze, dpa