Das Oktober­fest fällt aus — gefei­ert wird in München trotz­dem. Aus Biergär­ten schall­te am Wochen­en­de Volks­mu­sik, Menschen in Tracht proste­ten sich zu. Manch einer aber blickt mit Sorgen auf die steigen­den Corona-Zahlen.

Wegen Corona wurde es abgesagt, doch viele Menschen haben sich die Wiesn­lau­ne davon nicht verder­ben lassen. Auch «Ozapft is», hieß es am Samstag vieler­orts trotz­dem, wenn auch mit pande­mie­be­dingt reduzier­ter Feier-Inten­si­tät. In der Nacht zum Sonntag blieb es dann laut Polizei auch ruhig.

In gut 50 Gaststät­ten laden Wirte zur «Wirthaus­Wiesn» mit Wiesn­bier, Hendl, Haxn und Musik. Bis 4. Oktober soll die Aktion dauern. Gleich­zei­tig stiegen aller­dings die Corona-Zahlen weiter, am Sonntag erreich­ten sie in München den Wert von 55,6 Neuerkran­kun­gen pro 100.000 Einwoh­ner in einer Woche. Oberbür­ger­meis­ter Dieter Reiter (SPD) hatte gemahnt, sich strikt an die Corona­re­geln zu halten, und versi­chert, dies werde engma­schig kontrol­liert. Anfang der Woche soll ein Krisen­stab über mögli­che weite­re Maßnah­men beraten.

Wirte, Geschäfts­leu­te und Sicher­heits­kräf­te zogen eine positi­ve Bilanz des ursprüng­lich geplan­ten ersten Oktober­fest­ta­ges. Vieler­orts waren die Biergär­ten voll, mancher bekam keinen Platz oder musste warten — auch weil es coronabe­dingt weniger Plätze gab.

Die Gäste hätten sich an Corona-Regeln gehal­ten und fried­lich gefei­ert, sagte der Sprecher der Innen­stadt­wir­te und Chef des «Augus­ti­ner Kloster­wirt», Gregor Lemke. Die Wiesn sei ein «tiefes Lebens­ge­fühl». «Es geht gar nicht so sehr um die Wiesn, die Leute wollen dieses Lebens­ge­fühl spüren.» Er habe viele glück­li­che Gesich­ter gesehen.

Wiesn­wirt Chris­ti­an Schot­ten­ham­mel berich­te­te ebenfalls, die Gäste seiner Gaststät­te am Nockher­berg hätten sich an die Regeln gehal­ten. Auch die Kontrol­leu­re der Stadt seien zufrie­den gewesen. Mehr als 1000 Menschen fanden in Festsaal und Biergar­ten Platz — aller­dings seien auch rund zehn reser­vier­te Tische leer geblie­ben, weil Gäste angesichts der Infek­ti­ons­zah­len nicht gekom­men seien. «Man merkt, die Bevöl­ke­rung ist bisschen gespal­ten», sagte er. Ein Teil habe großen Respekt vor dem Virus, ein anderer fühle sich in der Gastro­no­mie sicher.

«Wir sind bisher sehr zufrie­den», sagte auch ein Sprecher des Vereins Cityp­art­ner, der unter anderem für mehre­re Innen­stadt­ge­schäf­te mit einer Gutschein­ak­ti­on für das Tragen von Tracht gewor­ben hatte. Viele Menschen hätten dies aufge­grif­fen — und die Trach­ten­ge­schäf­te die besten Umsät­ze seit Ende des Lockdowns gemacht.

Um wilde Wiesn-Ersatz­fei­ern mit hohem Infek­ti­ons­ri­si­ko zu verhin­dern, hatte die Stadt für Samstag ab 9.00 Uhr auf der There­si­en­wie­se, wo sonst Millio­nen Liter Bier fließen, ein Alkohol­ver­bot verhängt. Die Polizei überwach­te die Einhal­tung mit Dutzen­den Kräften.

Bei der «Wirts­haus­Wiesn» griff am Samstag teilwei­se Promi­nenz zum Schle­gel, um tradi­ti­ons­ge­recht um 12.00 Uhr ein Fass anzuzap­fen. Die Kabaret­tis­tin Monika Gruber stach sprit­zend bei Sterne­koch Alfons Schuh­beck am Platzl an, Ex-Oberbür­ger­meis­ter Chris­ti­an Ude (SPD) im Bahnhofs­vier­tel ein 20-Liter-Fass — mit zwei Schlä­gen — und «einer Handvoll weite­rer», wie er selbst­iro­nisch sagte. Sein Rekord liegt bei zwei Schlägen.

Unter­des­sen mehren sich kriti­sche Stimmen zur «Wirthaus­Wiesn». Unter anderem auf Twitter gab es Unmut. Ein Nutzer fand es «unver­ant­wort­lich», die Aktion in der aktuel­len Situa­ti­on nicht abzusa­gen. Andere kriti­sier­ten, Kinder müssten am Montag mit Maske in die Schule, während am Wochen­en­de in Kneipen gefei­ert werde.

Ärzte äußer­ten sich zurück­hal­tend. «Angesichts steigen­der Zahlen an Neuin­fek­tio­nen mit Covid-19 sehe ich eine ‘Wiesn light’ eher skeptisch bis sorgen­voll», sagte der Chefarzt der Klinik für Infek­tio­lo­gie in der München Klinik Schwa­bing, Clemens Wendt­ner, vor einigen Tagen.

Ude vertei­dig­te die «Wirthaus­Wiesn». «Ich bestrei­te, dass von einer derart kontrol­lier­ten und diszi­pli­nier­ten Gastro­no­mie eine Gefahr ausgeht.» Der Sprecher der Wiesn­wir­te, Peter Insel­kam­mer sagte, es sei spürbar, dass viele Menschen den ursprüng­lich geplan­ten Oktober­fest­start begehen wollten. «Die Leute wollen feiern.» Es sei besser, wenn dies in den Wirts­häu­sern kontrol­liert und unter Einhal­tung der Regeln gesche­he als bei priva­ten Partys.

Auch ohne das Fest läuft Wiesn­bier gut — teils, so berich­te­ten Brauer, sogar besser als sonst. Für viele gab es heuer Wiesn «dahoam».