KIEW (dpa) — Während der ukrai­ni­sche Präsi­dent Selen­skyj um den Getrei­de­deal mit Russland ringt, wächst die Sorge, dass der Krieg auf die slawi­sche Ex-Sowjet­re­pu­blik Belarus übergreift. Die News im Überblick.

Der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj hat vor dem Hinter­grund zuneh­men­der Drohun­gen Moskaus, das Getrei­de­ab­kom­men zu beenden, dessen Bedeu­tung für die Hunger­be­kämp­fung betont. Er kündig­te an, die Expor­te weiter auszubauen.

Derweil baut die Ex-Sowjet­re­pu­blik Belarus mit seinem Nachbarn, dem krieg­füh­ren­den Russland, eine gemein­sa­me Militär­ein­heit auf, die ersten russi­schen Solda­ten trafen ein. Gleich­zei­tig werden alle Sicher­heits­or­ga­ne, darun­ter auch der Zivil­schutz, bewaff­net und die Schutz­bun­ker im Land für den Ernst­fall gerüs­tet. In der Ukrai­ne beginnt heute der 236. Tag des Kriegs.

Selen­skyj will mehr Getrei­de expor­tie­ren und Strom sparen

Selen­skyj sagte in seiner tägli­chen Video­an­spra­che, obwohl der Krieg die Expor­te weiter behin­de­re, habe die Ukrai­ne seit dem Inkraft­tre­ten des Getrei­de­ab­kom­mens fast acht Millio­nen Tonnen Lebens­mit­tel auf dem Seeweg ausge­führt. «Das sind mehr als 300 Schif­fe. 60 Prozent der Menge sind nach Afrika und Asien gegangen.»

Erst vor wenigen Tagen hatte Russland damit gedroht, den Getrei­de­deal zu stoppen und die ukrai­ni­schen Häfen wieder zu blockie­ren, weil nach Moskaus Ansicht Verspre­chun­gen gegen­über Russland nicht einge­hal­ten worden seien und zudem angeb­lich der Spreng­stoff für den Anschlag auf die Krim-Brücke über den Seeweg aus der Ukrai­ne geschmug­gelt worden sei.

Nach dem Anschlag hatte Russland in der vergan­ge­nen Woche die Raketen­an­grif­fe auf die Ukrai­ne — und spezi­ell die Energie­infra­struk­tur — massiv verschärft. Deswe­gen bat Selen­skyj seine Lands­leu­te nun darum, Strom zu sparen. «Aufgrund des russi­schen Raketen­ter­rors ist es in einigen Städten und Regio­nen der Ukrai­ne notwen­dig, die Strom­ver­sor­gung zu begren­zen, damit das gesam­te System stabil funktio­niert», sagte er. Gerade in den Stoßzei­ten am Abend sei es notwen­dig, Strom zu sparen, da es sonst zu Überlas­tun­gen komme und die Elektri­zi­täts­wer­ke zu Abschal­tun­gen gezwun­gen seien.

Erneut Explo­sio­nen im Zentrum von Kiew

Derweil wurde das Zentrum der ukrai­ni­schen Haupt­stadt Kiew am Montag­mor­gen erneut von Explo­sio­nen erschüt­tert. Es gebe Luftalarm, die Menschen sollten Schutz suchen, teilte Bürger­meis­ter Vitali Klitsch­ko mit. Er sprach von einem Drohnen­an­griff. Ein Brand sei in einem Gebäu­de ausge­bro­chen, die Feuer­wehr sei im Einsatz. Zudem seien mehre­re Wohnhäu­ser beschä­digt worden. Kranken­wa­gen seien an Ort und Stelle. Es war zunächst unklar, ob es Opfer gab.

Am Himmel sei am Morgen wie vor einer Woche ein Feuer­ball zu sehen gewesen, berich­te­te eine Repor­te­rin der Deutschen Presse-Agentur aus dem Zentrum. Womög­lich war die ukrai­ni­sche Luftab­wehr aktiv gegen neue russi­sche Angrif­fe. Bestä­tigt wurde dies nicht.

Belarus bewaff­net seinen Zivilschutz

In Belarus steigen unter­des­sen die eigenen militä­ri­schen Aktivi­tä­ten. «Jetzt haben wir alle Waffen vom Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um erhal­ten, die wir bekom­men sollten, und haben sie in den Waffen­kam­mern gelagert», teilte der Chef des belarus­si­schen Zivil­schut­zes, Wadim Sinjaw­ski, im Staats­fern­se­hen mit. Es seien zugleich Einhei­ten gebil­det worden, die zusam­men mit dem Militär «zur Vertei­di­gung des Vater­lands» heran­ge­zo­gen werden könnten.

Der rangho­he Beamte sprach zugleich von rund 5000 unter­ir­di­schen Anlagen, die in Belarus als Bomben­schutz­kel­ler verwen­det werden könnten. Der belarus­si­sche Grenz­schutz teilte derweil mit, seine Einhei­ten an der Grenze «wegen der verstärk­ten Aufklä­rungs­tä­tig­keit der Ukrai­ne» verstärkt zu haben.

Erste russi­sche Solda­ten für gemein­sa­me Truppe in Belarus

Derweil schick­te Russland erste Solda­ten für eine gemein­sa­me Truppe mit Belarus in das Nachbar­land. «Die ersten Truppen­zü­ge mit russi­schen Solda­ten (…) kamen in Belarus an», zitier­te die russi­sche Agentur Tass einen Sprecher des Vertei­di­gungs­mi­nis­te­ri­ums in Minsk. «Die Verle­gung wird mehre­re Tage dauern. Die Gesamt­zahl wird etwas weniger als 9000 Menschen betra­gen», hieß es.

Der belarus­si­sche Macht­ha­ber Alexan­der Lukaschen­ko hatte am vergan­ge­nen Montag die Aufstel­lung einer gemein­sa­men regio­na­len Truppe mit Russland bekannt­ge­ge­ben. Sie solle angesichts der steigen­den Spannun­gen die belarus­si­sche Grenze schüt­zen. Lukaschen­ko demen­tiert, dass sein Land selbst am russi­schen Angriffs­krieg gegen die Ukrai­ne teilneh­men werde.

Ukrai­ne setzt hohes Kopfgeld auf Ex-Separa­tis­ten­füh­rer Girkin aus

Teilneh­men will derweil der ehema­li­ge Anfüh­rer der Separa­tis­ten im Donbass, Igor Girkin, bekannt unter seinem Deckna­men Strel­kow. Russi­schen Militär­blog­gern zufol­ge melde­te sich Girkin bei einem Freiwil­li­gen­ba­tail­lon zum Einsatz in der Ukraine.

Der ukrai­ni­sche Militär­ge­heim­dienst HUR setzte 100.000 Dollar (rund 103.000 Euro) Kopfgeld für die Ergrei­fung des einsti­gen russi­schen Geheim­dienst­of­fi­ziers aus. Girkin wird unter anderem für den Abschuss eines Passa­gier­flug­zeugs über dem Donbass verant­wort­lich gemacht.

Kriegs­ge­fan­ge­ne: Rotes Kreuz weist Kritik zurück

Das Rote Kreuz wehrt sich gegen Kritik aus Kiew, dass es zahlrei­che Kriegs­ge­fan­ge­ne noch nicht besucht habe. Das Inter­na­tio­na­le Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) habe morali­sche Verpflich­tun­gen, hatte der ukrai­ni­sche Präsi­dent Wolodym­yr Selen­skyj vergan­ge­ne Woche gesagt und umgehen­de Besuche verlangt.

«Es hilft weder den Kriegs­ge­fan­ge­nen noch ihren Famili­en, wenn dem IKRK die Schuld dafür gegeben wird, dass ihm der unein­ge­schränk­te und sofor­ti­ge Zugang verwei­gert wird», teilte das IKRK mit. Elf Mitar­bei­ter, darun­ter ein Arzt, stünden in der von Russland besetz­ten Region Donezk für solche Besuche bereit, hätten aber bislang keine Erlaub­nis erhalten.

Diese müsse von den betei­lig­ten Staaten kommen. Sie seien nach den Genfer Konven­tio­nen verpflich­tet, dem IKRK Zugang zu gewäh­ren. Das IKRK verlan­ge seit fast acht Monaten vergeb­lich, sämtli­che Orte, an denen Kriegs­ge­fan­ge­ne inter­niert seien — darun­ter das Gefan­ge­nen­la­ger Oleniw­ka — ungehin­dert und regel­mä­ßig besuchen zu können.

Das wird heute wichtig

Die Außen­mi­nis­ter der EU-Staaten beraten heute in Luxem­burg unter anderem über die weite­re Unter­stüt­zung der Ukrai­ne. Bei dem Treffen sollen ein Ausbil­dungs­ein­satz für die ukrai­ni­schen Streit­kräf­te sowie der Einsatz von weite­ren 500 Millio­nen Euro für den Kauf von Waffen und Ausrüs­tung beschlos­sen werden.

Vor dem Hinter­grund der Spannun­gen mit Russland beginnt die Nato ihre jährli­chen Manöver zur Vertei­di­gung des europäi­schen Bündnis­ge­biets mit Atomwaf­fen. An der Übung «Stead­fast Noon» werden nach Nato-Angaben neben Deutsch­land 13 weite­re Staaten betei­ligt sein. Schau­platz ist insbe­son­de­re der Luftraum über Belgi­en, Großbri­tan­ni­en und der Nordsee.