STUTTGART (dpa/lsw) — Seit Jahren gibt es im Südwes­ten Forde­run­gen nach einer allge­mei­nen Rückkehr zum neunjäh­ri­gen Gymna­si­um. Eltern wollen die Politik per Initia­ti­ve dazu zwingen und haben nach wie vor Hoffnung. Aber die Hürden könnten zu hoch sein, wie sich nun zeigt.

Bis Mitte Novem­ber hat die Eltern­in­itia­ti­ve für die Rückkehr zu einem flächen­de­cken­den neunjäh­ri­gen Gymna­si­um noch Zeit, um ausrei­chend Unter­schrif­ten zu sammeln für ihren Volks­an­trag. Aber die Zeit läuft und es fehlt noch weit mehr als die Hälfte der notwen­di­gen Unter­schrif­ten. Der Rücklauf an Formblät­tern habe nach Bekannt­wer­den des Halbzeit­stan­des erheb­lich nachge­las­sen, sagte Anja Plesch-Krubner, eine der beiden Initia­to­rin­nen, am Diens­tag der Deutschen Presse-Agentur. «Wir müssen zugeben, uns verschätzt zu haben. Wir dachten, das würde leich­ter werden und sind nun schon erschrocken.»

Derzeit fehlten noch 16.000 der erfor­der­li­chen 39.000 Unter­schrif­ten, die bis Anfang Novem­ber gesam­melt, bestä­tigt und einge­reicht werden müssen, sagte Plesch-Krubner. «Es ist klar, dass wir damit unserem Soll nach drei Viertel der Sammel­zeit hinter­her­hin­ken», ergänz­te sie. «Das ist beunruhigend.»

Die Eltern­in­itia­ti­ve sammelt Unter­schrif­ten für einen Volks­an­trag für die Rückkehr zum Abitur erst nach 13 Jahren. Sie will, dass das Abitur wieder generell nach neun Jahren abgelegt wird. Um die Schüler inter­na­tio­nal wettbe­werbs­fä­hi­ger zu machen, wurde die Zeit bis zum Abitur einst auf zwölf Jahre verkürzt (G8).

Damit über den Gesetz­ent­wurf im Plenum beraten wird, braucht die Eltern­in­itia­ti­ve inner­halb eines Jahres die Unter­schrif­ten von 0,5 Prozent aller Wahlbe­rech­tig­ten. In Baden-Württem­berg wären das rund 39 000 Unter­schrif­ten. Ist das noch zu schaf­fen? «Natür­lich können wir das Quorum weiter­hin errei­chen, aber dafür braucht es einen echten Ruck. Wir haben zumin­dest die Hoffnung» sagte Plesch-Krubner. «Und wir sind nach wie vor überzeugt, dass ein großer Teil der 7,8 Millio­nen Wahlbe­rech­tig­ten unter­schrei­ben würde, wenn man ihnen die Möglich­keit böte.» Nun sei es wichtig, «Unter­schrif­ten abzuklau­ben», nach den Ferien auf Eltern­aben­den zu werben und weite­re Kontak­te zu nutzen.

Aus Sicht der Initia­to­rin­nen kann aber gerade dies schwie­rig werden. «Die Unter­stüt­zer haben ihr Umfeld abgegrast, nun müssen wir neue Anhän­ge­rin­nen und Anhän­ger gewin­nen.» Plesch-Krubner schätzt zudem, dass viele wegen des Bürger­fo­rums den Eindruck haben, «das Ding sei durch und in trocke­nen Tüchern». Dies sei aber nicht der Fall, beton­te sie. «Das Bürger­fo­rum ist kein Ersatz.» Zudem habe sich gezeigt, dass der Weg zum Volks­an­trag für Einzel­ne «ein sehr holpri­ger, unsäg­lich kompli­zier­ter» sei.

Derzeit ist in Baden-Württem­berg das achtjäh­ri­ge Gymna­si­um Standard. G9 gibt es in Baden-Württem­berg nur noch als Modell­pro­jekt an 44 staat­li­chen Schulen und an einigen Privatschulen.

Für eine Rückkehr zum neunjäh­ri­gen Gymna­si­um wären nach Angaben des Kultus­mi­nis­te­ri­ums rund 1400 Stellen für Lehrkräf­te zusätz­lich nötig. Die Schul­trä­ger, also die Städte und Gemein­den, warnen zudem vor den Inves­ti­tio­nen, die eine Rückkehr zu G9 auslö­sen würde. Die Landes­re­gie­rung hatte sich aber Mitte Juni erstmals offen für eine Rückkehr zu G9 gezeigt und ein Bürger­fo­rum angekün­digt. Dabei sollen zufäl­lig ausge­wähl­te Bürger ab Herbst über die Zukunft des Gymna­si­ums debat­tie­ren und der Politik am Ende Empfeh­lun­gen geben. Dutzen­de Verbän­de und Inter­es­sen­grup­pen waren im Vorfeld bislang betei­ligt, darun­ter Schüler, Eltern, Lehrer und Rekto­ren — aber auch Kirchen, Gewerk­schaf­ten, Unter­neh­mer­ver­bän­de und Landtagsfraktionen.