BERLIN (dpa) — Ab kommen­dem Sonntag sind nur noch wenige allge­mei­ne Corona- Schutz­re­geln vorge­se­hen. Wo die Lage kritisch ist, soll regio­nal aber mehr möglich sein — doch Kriti­ker laufen weiter Sturm.

Der Streit um die sogenann­te Hotspot-Regelung für weiter­ge­hen­de Corona-Aufla­gen in Gebie­ten mit kriti­scher Lage reißt nicht ab.

Die Union unter­strich ihre schar­fe Kritik an der neuen bundes­wei­ten Rechts­grund­la­ge für Schutz­maß­nah­men, aber auch die großen Kommu­nal­ver­bän­de äußer­ten Beden­ken. Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann von der FDP mahnte die Länder derweil, Hotspots nur dort zu erklä­ren, wo es eine konkre­te Gefahr für die Funkti­ons­tüch­tig­keit des Gesund­heits­we­sens gibt.

Den Ländern sind ab Sonntag nur noch wenige allge­mei­ne Schutz­re­geln etwa zu Masken und Tests in Einrich­tun­gen wie Klini­ken und Pflege­hei­men erlaubt. Sie können aber für regio­na­le Hotspots weiter­ge­hen­de Beschrän­kun­gen etwa mit mehr Masken­pflich­ten und Zugangs­re­geln verhän­gen, wenn das Landes­par­la­ment dort eine kriti­sche Lage feststellt. Mehre­re Länder bekla­gen, dass dafür rechts­si­che­re Krite­ri­en fehlten. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) hatte am Montag klarge­macht, dass die neue Rechts­grund­la­ge nicht nochmals geändert werde.

«Lauter­bach und Busch­mann krachend gescheitert»

Der gesund­heits­po­li­ti­sche Sprecher der Unions­frak­ti­on, Tino Sorge, sagte der «Augsbur­ger Allge­mei­nen»: «Die zentra­len Begrif­fe der Hotspot-Regelung hätten im Gesetz definiert werden müssen, und zwar mit klaren Schwel­len­wer­ten und trans­pa­ren­ten Krite­ri­en.» Schar­fe Eingrif­fe dürfe der Staat nicht an «vage Worte» knüpfen – «erst recht nicht flächen­de­ckend für ein ganzes Bundesland».

Die Gesund­heits­mi­nis­ter­kon­fe­renz am Montag sei der letzte verzwei­fel­te Versuch der Länder gewesen, von der Bundes­re­gie­rung eine verläss­li­che Aussa­ge zur Hotspot-Regelung zu erhal­ten. «Daran sind Gesund­heits­mi­nis­ter Lauter­bach und Justiz­mi­nis­ter Busch­mann krachend geschei­tert», so der CDU-Politiker.

Auch der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Deutschen Städte- und Gemein­de­bunds, Gerd Lands­berg, sieht Proble­me. «Bedau­er­li­cher­wei­se hat der Gesetz­ge­ber keine Krite­ri­en festge­legt, unter welchen Voraus­set­zun­gen eine Hotspot-Regelung in Betracht kommt», sagte er der «Rheini­schen Post». «Schon unter zeitli­chen Aspek­ten dürfte es fraglich sein, ob die Landes­par­la­men­te — zum Beispiel in Ferien­zei­ten — jeweils einzel­ne Bestim­mun­gen für einzel­ne Regio­nen erlas­sen könnten», kriti­sier­te Lands­berg. «Deswe­gen erwar­ten wir, dass sich die Länder auf eine möglichst einheit­li­che Regelung verstän­di­gen, so dass auch ein gesam­tes Landes­ge­biet oder große Teile vorsorg­lich zum Hotspot erklärt werden können.»

Der Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Deutschen Städte­tags, Helmut Dedy, sagte dem Redak­ti­ons­netz­werk Deutsch­land (RND), das neue Infek­ti­ons­schutz­ge­setz beschnei­de den Instru­men­ten­kas­ten für Länder und Städte. «Wir erwar­ten, dass das Gesetz bald wieder korri­giert werden muss. Das war kein Glanz­stück der Ampel.»

Keine Schwel­len­wer­te beziffert

Schwel­len­wer­te, ab wann eine Region ein Hotspot ist, sind im Gesetz nicht bezif­fert. Generel­le Voraus­set­zung ist, dass eine Überlas­tung der Klinik­ka­pa­zi­tä­ten droht. Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach hatte vier Krite­ri­en genannt, an denen man dies bemes­sen könne: Wenn Klini­ken die Notfall­ver­sor­gung nicht mehr leisten könnten — wegen zu vieler Corona-Patien­ten oder Perso­nal­aus­fäl­le, wenn sie planba­re Eingrif­fe absagen oder Patien­ten in andere Häuser verle­gen müssten — sowie wenn Vorga­ben zu einer Mindest­prä­senz von Pflege­kräf­ten nicht einge­hal­ten werden könnten. CDU-Politi­ker Sorge kriti­sier­te, auch diese seien «viel zu unpräzise».

Nach der Konfe­renz der Länder-Gesund­heits­mi­nis­ter sagte Bayerns Ressort­chef Klaus Holet­schek am Montag­abend: «In der Sache waren sich alle einig: Die Masken­pflicht in Innen­räu­men wäre zum aktuel­len Zeitpunkt eigent­lich noch sinnvoll – und zwar bundes­weit.» Dass diese trotz­dem nicht verlän­gert werden könne, sei «doch an Absur­di­tät nicht zu überbie­ten». Die Bundes­re­gie­rung argumen­tiert, dass etwa eine bundes­wei­te Masken­pflicht nicht möglich sei, da keine bundes­wei­te Überlas­tung des Gesund­heits­we­sens drohe.

Lauter­bach: «Wir verlie­ren Zeit»

Lauter­bach hatte die Länder wieder­holt aufge­for­dert, weiter­ge­hen­de Alltags­auf­la­gen für regio­na­le Hotspots mit kriti­scher Lage zu erlas­sen. «Wir verlie­ren Zeit. Aus meiner Sicht muss jetzt gehan­delt werden», sagte der SPD-Politiker.

Die Länder müssen nun konkret entschei­den. Mehre­re Kabinet­te tagen an diesem Diens­tag. Mecklen­burg-Vorpom­mern hat sich bereits landes­weit bis Ende April zum Hotspot erklärt, der Stadt­staat Hamburg plant es. Andere Länder sehen derzeit keine recht­li­che Handha­be für eine Hotspot-Regelung.

Bundes­jus­tiz­mi­nis­ter Marco Busch­mann sagte der «Bild»-Zeitung: «Wo die Hotspot-Regeln gelten sollen, müssen auch durch­weg die recht­li­chen Voraus­set­zun­gen vorlie­gen.» Es gehe dabei insbe­son­de­re um «eine konkre­te Gefahr für die Funkti­ons­tüch­tig­keit des Gesund­heits­we­sens». Gebe es keine Gefahr für die Funkti­ons­tüch­tig­keit des Gesund­heits­we­sens, «werden Maßnah­men vor den Verwal­tungs­ge­rich­ten schei­tern», warnte Buschmann.