BERLIN (dpa) — Bei kompli­zier­ten Eingrif­fen und bedroh­li­chen Fällen sind Patien­ten und Patien­tin­nen auf eine möglichst gute Versor­gung im Kranken­haus angewie­sen — aber ist das nächst­ge­le­ge­ne dafür auch das beste?

Durch Behand­lun­gen nur in spezia­li­sier­ten Klini­ken lassen sich laut einer Analy­se tausen­de Todes­fäl­le bei Schlag­an­fäl­len und schwe­ren Erkran­kun­gen wie Krebs vermei­den. Eine Konzen­tra­ti­on mit Quali­täts-Mindest­stan­dards biete «erheb­li­che Poten­zia­le» für besse­re Ergeb­nis­se, heißt es in einem in Berlin vorge­leg­ten Bericht einer Regie­rungs­kom­mis­si­on, die das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­ri­um berät. Wegen der hohen Kranken­haus­dich­te in Deutsch­land müssten dabei auch «keine wesent­li­chen Einschrän­kun­gen der Erreich­bar­keit in Kauf genom­men» werden.

Konkret gebe es das Poten­zi­al, bei elf unter­such­ten Krebs­ar­ten jährlich mehr als 20.000 Lebens­jah­re zu retten, wenn alle Patien­ten in zerti­fi­zier­ten Krebs­zen­tren behan­delt würden, heißt es in der Stellung­nah­me. Bisher würden dort je nach Krebs­art zwischen 35 und 84 Prozent der Patien­tin­nen und Patien­ten behandelt.

Wenn nur noch zerti­fi­zier­te Zentren zur Krebs­be­hand­lung zugelas­sen wären, würde bei Darm‑, Brust- und Prosta­ta­krebs die mittle­re Erreich­bar­keit für die Bevöl­ke­rung unter oder um 20 Minuten liegen. Dies wäre «unver­än­dert exzel­lent» im Vergleich zu europäi­schen Nachbar­län­dern, heißt es in der Analy­se, über die zunächst die «Süddeut­sche Zeitung» berichtete.

Lauter­bach: Ergeb­nis­se bestä­ti­gen Kern der Krankenhausreform

Gesund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) sagte: «Quali­tät rettet Leben.» Die Ergeb­nis­se bestä­ti­gen damit den Kern der vorge­se­he­nen Kranken­haus­re­form. «Wir brauchen eine gute und schnell erreich­ba­re Grund­ver­sor­gung. Aber nicht jedes Haus muss auch jede medizi­ni­sche Behand­lung anbie­ten.» Kompli­zier­te Eingrif­fe sollten ausschließ­lich in spezia­li­sier­ten Klini­ken durch sehr gut quali­fi­zier­te Medizi­ner vorge­nom­men werden. Im Gegen­zug müssten die Klini­ken gut bezahlt werden. Die Reform könne so zehntau­sen­de Leben pro Jahr retten, beson­de­re bei der Versor­gung von Krebs- und Herz-Kreislauf-Patienten.

Bei Schlag­an­fäl­len gibt es laut der Analy­se das Poten­zi­al, dass jährlich knapp 5000 Menschen zusätz­lich im ersten Jahr nach einem Schlag­an­fall überle­ben — wenn alle Patien­ten in Kranken­häu­ser mit Spezi­al­ab­tei­lun­gen zur schnel­len Versor­gung (Stroke Unit) kämen. Im Jahr 2021 gab es demnach bundes­weit 328 Stand­or­te mit einer solchen Spezi­al­sta­ti­on, aber auch weite­re 1049 Kranken­häu­ser behan­del­ten Schlag­an­fäl­le. Ausge­wer­tet wurden den Angaben zufol­ge Daten der gesetz­li­chen Kranken­kas­sen, aus Quali­täts­be­rich­ten der Kranken­häu­ser und aus medizi­ni­schen Regis­tern und Fachge­sell­schaf­ten. Auch Analy­sen der Kassen zeigten bereits Vortei­le spezia­li­sier­ter Behandlungen.

Kommis­si­on: Patien­ten sterben «früher als nötig»

Der Leiter der Regie­rungs­kom­mis­si­on, Tom Bschor, erläu­ter­te, dass im gegen­wär­ti­gen System Patien­tin­nen und Patien­ten mit Schlag­an­fall und Krebs «früher sterben als nötig, weil zu viele Kranken­häu­ser diese Behand­lun­gen durch­füh­ren». Deutsch­land habe mit seiner «einzig­ar­tig hohe Dichte an Kranken­häu­sern» ideale Voraus­set­zun­gen, auch mit einer Konzen­tra­ti­on auf erfah­re­ne Klini­ken engma­schig eine exzel­len­te Versor­gung anzubieten.

Lauter­bach strebt über den Sommer konkre­te­re Vorschlä­ge für die Reform an. Die auch auf Empfeh­lun­gen der Kommis­si­on zurück­ge­hen­den Geset­zes­plä­ne sehen bundes­ein­heit­li­che Quali­täts­kri­te­ri­en vor, dazu genau­er definier­te Leistungs­be­rei­che der Kranken­häu­ser mit entspre­chen­der Finan­zie­rung. Zudem soll das Vergü­tungs­sys­tem mit Pauscha­len für Behand­lungs­fäl­le geändert werden, um Klini­ken von ökono­mi­schem Druck zu lösen. Um nicht auf immer mehr Fälle angewie­sen zu sein, sollen sie einen größe­ren Vergü­tungs­an­teil allein schon für das Vorhal­ten von Leistungs­an­ge­bo­ten bekom­men. Die nächs­ten Beratun­gen von Bund und Ländern über das Reform­kon­zept sind am 29. Juni.