BRÜSSEL (dpa) — Eine Energie­kri­se hat sie 1980 hervor­ge­bracht, jetzt wird wieder über Sinn und Unsinn der Zeitum­stel­lung disku­tiert. Angesichts hoher Gas- und Strom­prei­se könnte eine Abschaf­fung Energie einsparen.

Autofreie Sonnta­ge, stren­ge­re Tempo­li­mits, Zeitum­stel­lung: Die Ölkri­se der 1970er Jahre hatte Auswir­kun­gen auf unser Leben, die wir teils bis heute spüren. Damals bestand die Hoffnung, durch den Zeitsprung im Frühjahr und der Stunde mehr Schlaf im Herbst signi­fi­kant Energie zu sparen. Das Kalkül ging, so viel weiß man heute, nicht auf. Genau diesen Punkt führen nun Kriti­ker der Zeitum­stel­lung ins Feld. Eine ewige Sommer­zeit würde sogar Energie sparen, heißt es.

So sagte Korbi­ni­an von Blancken­burg, Profes­sor an der Techni­schen Hochschu­le Ostwest­fa­len-Lippe, der «Rheini­schen Post»: «Je heller es abends ist, desto weniger Strom wird verbraucht.» Er spricht von einem Einspar­po­ten­zi­al von bis zu 700 Millio­nen Euro pro Jahr bei dauer­haf­ter Sommer­zeit. Wird eine Energie­kri­se also nun vom Geburts­hel­fer zum Toten­grä­ber der Zeitumstellung?

Die Lage ist komplex

Ganz so einfach ist es nicht. Chris­toph Mordzi­ol vom Umwelt­bun­des­amt (UBA) betont etwa, dass nicht nur der Strom­ver­brauch zu Hause berück­sich­tigt werden müsse. «Bei geänder­tem Freizeit­ver­hal­ten kann man anneh­men, dass Aktivi­tät außer­halb des Hauses zu Energie­ver­brauchs­stei­ge­run­gen im Verkehrs- und im Freizeit­sek­tor führt.»

Er betont: «Es scheint offen­sicht­lich, dass die derzeit übliche Umstel­lung auf Sommer­zeit nur zu gering­fü­gi­gen Energie­ein­spa­run­gen führt, das heißt, dass sie ihren ursprüng­li­chen Zweck nur dürftig erfüllt.» Zudem würden sich Zeitum­stel­lun­gen inner­halb der EU regio­nal unter­schied­lich auswir­ken. So müsse dabei auch immer die jewei­li­ge Lage, etwa das Klima, Dauer und Inten­si­tät der Sonnen­ein­strah­lung, Wirtschaft oder auch Kultur in Berech­nun­gen berück­sich­tigt werden.

Nur wenig Einspar­po­ten­zi­al bei Licht

Die Zeitum­stel­lung spare keine Energie, heißt es auf der UBA-Website. Mehr Erfolg habe man etwa durch weniger heizen und mehr Dämmung. Kurz duschen statt baden und effizi­en­te Geräte bei energie­in­ten­si­ver Haushalts­elek­tro­nik wie Kühlschrank und Herd gehören den Angaben zufol­ge zu den Berei­chen, wo sich mit am meisten sparen lässt.

Eine Spreche­rin des Bundes­ver­bands der Energie- und Wasser­wirt­schaft geht ebenfalls von gerin­gen Auswir­kun­gen bei einer Abschaf­fung der Zeitum­stel­lung aus. «Zwar wird durch die Zeitum­stel­lung im Sommer tatsäch­lich an hellen Sommer­aben­den weniger Strom für Licht verbraucht, dafür wird im Frühjahr und Herbst in den Morgen­stun­den hinge­gen mehr geheizt.» Das hebe sich gegen­sei­tig auf. «Der Dreh am Zeiger zur Winter- und Sommer­zeit bringt demnach keine spürba­re Energie­ein­spa­rung», so die Sprecherin.

Auch die EU-Kommis­si­on spricht von unwesent­li­chen Einspa­run­gen durch die Zeitum­stel­lung. Die Brüsse­ler Behör­de verweist auf unter­schied­li­che Fakto­ren, die je nach geogra­fi­scher Lage eines Landes Auswir­kun­gen auf den Energie­ver­brauch hätten. «Einige Studi­en deuten darauf hin, dass die Sommer­zeit in Verbin­dung mit mehr Freizeit­ak­ti­vi­tä­ten im Freien positi­ve Auswir­kun­gen haben könnte», heißt es zudem. Aber es gebe auch Forschungs­er­geb­nis­se, die darauf hindeu­te­ten, dass gesund­heit­li­che Auswir­kun­gen wie auf den Biorhyth­mus gravie­ren­der sein könnten als bisher angenommen.

Abschaf­fung nicht auf der Tagesordnung

Eine aussichts­rei­che Initia­ti­ve, die Zeitum­stel­lung wirklich abzuschaf­fen, ist derzeit nicht in Sicht. Die Präsi­dent­schaft unter den EU-Ländern — derzeit hat Tsche­chi­en das Ruder in der Hand — hat das Thema nicht auf die Tages­ord­nung gesetzt.

So wird — wie kommen­den Sonntag — wohl noch öfter an der Uhr gedreht. Die Sonne geht ab Ende der Woche dann im Westen Deutsch­lands schon gegen 17.10 Uhr, im Osten sogar noch eine gute halbe Stunde früher unter. Dabei ist der ständi­ge Wechsel vor allem in Deutsch­land unbeliebt. Einge­führt 1980 wegen angeb­li­cher Einspa­run­gen befeu­ert durch die Ölkri­se in den 70er Jahren, hält sie sich seit mehr als 30 Jahren.

EU-Länder können sich nicht einigen

Zwar hat die EU-Kommis­si­on einen Vorschlag gemacht, wie die Umstel­lung abgeschafft werden könnte, aber die Staaten der Europäi­schen Union können sich nicht einigen. So liegt das Vorha­ben seit länge­rem in Brüssel auf Eis.

Ein Streit­punkt: Käme die dauer­haf­te Sommer­zeit, hieße das für Spani­en im Winter Dunkel­heit bis kurz vor 10.00 Uhr. Einigen sich alle auf Winter­zeit, würde es in Warschau im Sommer schon um 3.00 Uhr hell. Die Zeitum­stel­lung zweimal im Jahr dämpft diese Extreme.

Von Marek Majew­sky, dpa