Nach fast neun Jahren hat die Links­par­tei eine neue Führung. Die Doppel­spit­ze aus Janine Wissler und Susan­ne Hennig-Wellsow will bei der Bundes­tags­wahl möglichst ein zweistel­li­ges Ergeb­nis holen.

BERLIN (dpa) — Die Linke zieht mit einer neuen, rein weibli­chen Doppel­spit­ze in die anste­hen­de Bundestagswahl.

Die hessi­sche Landtags­frak­ti­ons­chefin Janine Wissler und die thürin­gi­sche Landes­chefin Susan­ne Hennig-Wellsow wurden am Samstag bei einem Online-Partei­tag zu neuen Partei­vor­sit­zen­den gewählt. Die Wahl muss noch per Brief­wahl bestä­tigt werden. Wissler und Hennig-Wellsow riefen ihre Partei zum Amtsan­tritt zur Geschlos­sen­heit auf, setzten aber auch unter­schied­li­che Akzente.

Das neue Duo löst die bishe­ri­gen Chefs Katja Kipping und Bernd Riexin­ger ab. Sie hatten die Linke seit 2012 geführt und wollten eigent­lich bereits im vergan­ge­nen Juni ihre Amtszeit beenden. Wegen Corona wurde der Partei­tag seitdem zweimal verscho­ben. Die Partei­tags­re­den wurden in einer Veran­stal­tungs­hal­le in Berlin gehal­ten. Die Delegier­ten waren zu Hause über ein spezi­el­les Programm einge­loggt, über das der Livestream geschaut, mitdis­ku­tiert und auch abgestimmt werden konnte.

Wissler sagte in ihrer Vorstel­lungs­re­de, man wolle die Gesell­schaft grund­sätz­lich verän­dern. «Es geht nicht nur um ein größe­res Stück vom Kuchen. Es geht ums Ganze, es geht um die Bäcke­rei.» Die Linke sei nicht perfekt und oft sehr anstren­gend. «Wir strei­ten, wir ringen mitein­an­der um den richti­gen Weg.» Sie appel­lier­te an die Gemein­sam­kei­ten: Alle seien in die Linke einge­tre­ten, weil sie sich über Armut empör­ten, Ungerech­tig­keit nicht hinneh­men wollten, den Krieg verach­te­ten und wüssten, dass der Faschis­mus nie wieder siegen dürfe und «weil wir wissen, dass der Kapita­lis­mus nicht das Ende der Geschich­te sein darf».

Auch Hennig-Wellsow rief zur Geschlos­sen­heit auf und warb zudem für ein Bekennt­nis der Linken, auch im Bund Regie­rungs­ver­ant­wor­tung zu überneh­men: «Lasst uns nicht mehr warten! Die Menschen haben keine Zeit, auf uns zu warten.» Sie werbe dafür, CDU und CSU aus der Bundes­re­gie­rung zu vertrei­ben. «Ob Schwarz-Grün kommt oder Rot-Rot-Grün, liegt auch an uns.»

Die neue Partei­spit­ze will die Linke in den Umfra­gen nach vorn bringen. Dort steht sie momen­tan zwischen sieben und acht Prozent. Hennig-Wellsow hat den Anspruch deutlich gemacht, die Partei bei der Bundes­tags­wahl im Herbst möglichst zu einem zweistel­li­gen Ergeb­nis zu führen.

Größte Heraus­for­de­rung für das frisch­ge­wähl­te Führungs­duo wird es sein, die tradi­tio­nell sehr unter­schied­li­chen Strömun­gen inner­halb der Linken zusam­men­zu­füh­ren. Immer wieder gibt es Streit über die inhalt­li­che Ausrich­tung. Die Ära Kipping und Riexin­ger wurde von Dauer­zwist mit Ex-Frakti­ons­chefin Sahra Wagen­knecht überschat­tet, die sich für eine restrik­ti­ve­re Migra­ti­ons­po­li­tik einge­setzt hatte. Bis heute kriti­siert Wagen­knecht außer­dem den Kurs der Linken immer wieder als zu abgeho­ben und zu weit weg von der eigent­li­chen Wählerklientel.

Auch die Frage des Mitre­gie­rens gehört zu den vielen Streit­fra­gen inner­halb der Partei, wie auch in Redebei­trä­gen auf dem Partei­tag erneut deutlich wurde. Die Partei wäre in einer Koali­ti­on im Bund in wesent­li­chen Politik­be­rei­chen zu Kompro­mis­sen gezwun­gen, etwa in der Außen- und Sicher­heits­po­li­tik. Die Linke ist beispiels­wei­se gegen Auslands­ein­sät­ze der Bundes­wehr und für eine Abschaf­fung von Geheim­diens­ten. Im neuen Führungs­duo ist Wissler bei der Regie­rungs­fra­ge zurück­hal­ten­der als Hennig-Wellsow. Für ein Bündnis der Linken mit SPD und Grünen würde es nach aktuel­len Umfra­gen nicht reichen.