STUTTGART (dpa/lsw) — In den Kinder­ta­ges­stät­ten im Südwes­ten gibt es akuten Perso­nal­man­gel. Zugleich steigt der Bedarf der Eltern an Kinder­be­treu­ung. Die Politik versucht das mit einer Ausnah­me­re­ge­lung auszubalancieren.

Das Land reagiert auf die angespann­te Lage in den Kitas und macht Abstri­che bei Standards in der Kinder­be­treu­ung. Kultus-Staats­se­kre­tär Volker Schebes­ta (CDU) sagte der Deutschen Presse-Agentur in Stutt­gart, es könne wie in der Corona-Pande­mie wieder größe­re Gruppen geben. Die Ausnah­me­re­ge­lung sehe vor, dass die Höchst­grup­pen­stär­ke im Ausnah­me­fall um bis zu zwei Kinder überschrit­ten werden kann. «Die Änderung der Verord­nung ist aber auf das laufen­de Kitajahr begrenzt», erklär­te Schebes­ta. Der Entwurf gehe jetzt noch in die Anhörung bei Verbän­den und Kommunen.

Gemeinde‑, Städte- und Landkreis­tag hatten zuvor massiv Druck auf das Land gemacht, wieder Ausnah­men bei der Gruppen­grö­ße zuzulas­sen. Der drama­ti­sche Fachkräf­te­man­gel erlau­be es nicht mehr, die bishe­ri­gen Standards einzu­hal­ten und den Rechts­an­spruch auf einen Kitaplatz zu erfül­len. Die Kommu­nen reagier­ten damit auf die Weige­rung des Landes, die Sonder­re­geln für den Perso­nal­schlüs­sel und die Gruppen­grö­ße aus der Corona-Zeit zu verlän­gern. Darauf­hin hatte Minis­ter­prä­si­dent Winfried Kretsch­mann (Grüne) weite­re Erleich­te­run­gen angekündigt.

Nun hat das Kultus­mi­nis­te­ri­um das in eine Verord­nung gegos­sen, die der dpa vorliegt. Demnach muss bei der Ausnah­me­re­ge­lung gesichert sein, dass der Mindest­per­so­nal­schlüs­sel ohne Aufnah­me der zusätz­li­chen Kinder einge­hal­ten wird. Zudem muss die Aufsichts­pflicht gewähr­leis­tet und die beson­de­ren Bedürf­nis­se von behin­der­ten Kindern berück­sich­tigt werden. Um die Gruppen­grö­ße erhöhen zu können, muss der Träger der Kita dies nur dem Landes­ju­gend­amt anzeigen.

Schebes­ta hatte im Sommer noch argumen­tiert, man habe Sorge, dass Erzie­he­rin­nen und Erzie­her wegen der Belas­tung durch zu große Gruppen ihren Job aufge­ben könnten. Mit der Ausnah­me­re­ge­lung versu­che das Minis­te­ri­um den hohen Betreu­ungs­be­darf der Eltern und die Belas­tung der Fachkräf­te auszu­ba­lan­cie­ren, hieß es jetzt. Die Lage verschärf­te sich, weil Erzie­he­rin­nen und Erzie­her wegen Corona oder Grippe ausfal­len. Hinzu kommt, dass viele geflüch­te­te Kinder aus der Ukrai­ne betreut werden müssen.

Schon seit 1. Septem­ber gilt, dass fehlen­de Erzie­he­rin­nen und Erzie­her durch die doppel­te Zahl an nicht-pädago­gi­schen Kräften ersetzt werden können. Aller­dings darf der Mindest­per­so­nal­schlüs­sel um nicht mehr als 20 Prozent unter­schrit­ten werden. Um besser auf Krank­heits­wel­len reagie­ren zu können, gibt es auch eine flexi­ble­re Vertre­tungs­re­ge­lung: Fällt eine Fachkraft durch Krank­heit aus, kann sie für maximal acht Wochen durch eine Zusatz­kraft ersetzt werden.

Die Kommu­nen halten die Abstri­che für verkraft­bar. Zuletzt hatte eine Studie der Bertels­mann Studie ergeben, dass das Verhält­nis Kinder pro Kita-Fachkraft bundes­weit spitze ist. In den Kinder­krip­pen habe sich der Perso­nal­schlüs­sel zuletzt weiter verbes­sert, eine Erzie­he­rin kümme­re sich im Durch­schnitt um 2,9 Kinder. In Kinder­gär­ten kümmer­te sich zuletzt eine Fachkraft um rechne­risch 6,5 Kinder. Die Studie hatte aber auch ergeben, dass im kommen­den Jahr 57.600 Kitaplät­ze fehlen, weil der Bedarf der Eltern steigt.